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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Lahm-Buch

Bielefeld (ots)

Der alte Trick. Wenn Profis nicht vernommen werden wollen, stehlen sie sich mit einem Handy am Ohr davon. Philipp Lahm gehört nicht in die Kategorie der Nichtssager, die noch überboten werden von den Nichtssagenden. Als Kapitän der Nationalmannschaft und Vorzeigekicker des FC Bayern bezieht Lahm Stellung. Meistens aber, ohne weh zu tun. Das ist nicht erst seit dieser Woche anders. Es hat mit dem Unterschied zwischen dem geschriebenen und dem gesprochen Wort zu tun. Ins Gesicht hat Lahm einem Idol wie Rudi Völler wohl kaum gesagt, sein Training sei lustig, aber nicht lehrreich. Er wird auch nicht zu Klinsmann gegangen sein: »Du Jürgen, bei dir wussten wir nach vier bis sechs Wochen, das wird nichts.« Hat sich Lahm etwa Louis gegriffen, um van Gaal dessen Hang zur Selbstverliebtheit unter die holländische Nase zu reiben? Verbale Grätschen gehen ohne Mann-zu-Mann-Kontakt einfacher. In gewisser Hinsicht ist Lahm, in dessen Buch »Der feine Unterschied« ein paar Herrschaften unvorteilhaft skizziert werden, der Feigheit zu bezichtigen. Denn er hat sicher auch niemanden, dem er übel nachredet, vorher über sein Ansinnen informiert. Was trieb ihn an? Langeweile? Euros? Geltungssucht? Das erscheint alles immer noch zu wenig. Vielleicht gefällt Lahm sein Image nicht. Der Buchtitel, ein Korrektiv: Wie er sich dort präsentiert, zeigt eine seinem Anlitz bisher nicht zugeordnete Aufmüpfigkeit - die er als Person durchaus schon zu erkennen gab. Da wären sowohl ein provokantes Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«, für das er demütig zum FC Bayern kriechen musste, als auch sein erfolgreiches Vorpreschen im Kampf um die Kapitänsbinde zu nennen. Doch auch da gilt: Den direkten Austausch mit Vorgänger Ballack hat Aufrücker Lahm nie gesucht. Jetzt knockt er ungerührt einen Helden wie Völler aus. An diesem Punkt kommt die Wertigkeit der Gescholtenen ins Spiel, die die Kritik zweischneidig macht und ungefähr diese Deutung zulässt: Wenn er sich van Gaal schnappt, okay. Nimmt er sich Magath vor, akzeptiert. Bei Klinsmann schwante den meisten, dass der ohne seinen Jogi kaum taugt. Aber Völler? Ihn hätte Lahm besser nicht angepackt. Auf den lassen die Deutschen nichts kommen, auch wenn er eher Tante Käthe ist als genialer Stratege. Lahm hat sich gerade an diesem Exempel überschätzt. Im Stand eines Franz B., der herausposaunen darf, was immer ihm in den kaiserlichen Sinn kommt, befindet sich ein 27 Jahre alter Fußballer ohne internationalen Titel mit DFB-Elf oder im Verein, nicht. Wird Phillip Lahm auch nie. In diesem Zusammenhang ist nachrangig, wie mündig ein Profi sein muss, soll, darf. Es geht um Geschick und Zeitpunkt solcher Veröffentlichungen. Es geht um Ehre und Fairness. Und darum, ob es schnöselig-anmaßend daherkommt, vielleicht sogar auch ferngesteuert von bestimmten Interessenskreisen oder anerkannt altersweise von jemandem, der auf ein erfahrungsreiches Leben zurückblickt - und sich so seine eigene Toleranzgrenze erschuf.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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