Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Energiewende
Bielefeld (ots)
Es ist ein zweifelhaftes Jubiläum: Vor 50 Jahren ging in Kahl am Main das erste deutsche Atomkraftwerk ans Netz. In diesem halben Jahrhundert ist es Politik und Energiekonzernen nicht gelungen, die politisch, wirtschaftlich und vor allem ethisch hochbrisante Frage der Endlagerung des Atommülls zu lösen. Energiekonzerne investieren auch anno 2011 weiterhin Milliarden in den Bau konventioneller Kraftwerke. Abbaugenehmigungen für die als Klimakiller verschriene Braunkohle gibt es für mindestens noch eine Generation. All das mag man kritisieren, als notwendiges Übel hinnehmen oder gar gutheißen. Egal wie man dazu steht, die obigen Beispiele sind Indiz, auf welche Zeitspannen Energiepolitik ausgerichtet ist. Atomausstieg jetzt, Kohlekraftwerke abschalten sofort - ja, der Wunsch ist verständlich, leider jedoch unrealistisch. Damit soll nicht grundsätzlich den Befürwortern von Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken das Wort geredet werden. Aber nicht heute, in der Vergangenheit sind entscheidende Fehler gemacht worden, die eine rasche Energiewende unglaubwürdig erscheinen lassen. Die Genehmigung für die Fortsetzung des Tagebaus in Garzweiler, als Garzweiler II bundesweit bekannt, erteilte die Landesregierung NRW 1995, just in dem Jahr, in dem erstmalig die Grünen Regierungsverantwortung in Düsseldorf übernahmen. Verhindert haben auch sie nicht, dass weiterhin ein Viertel der deutschen Stromproduktion und sogar 40 Prozent in NRW auf Braunkohle basieren. Ebenso falsch war es von der aktuellen Bundesregierung im vergangenen Herbst, den im Jahr 2000 von Rot-Grün ausgehandelten Atomausstieg wieder rückgängig zu machen. Ein solch langfristig angelegter Konsens mit den Energiekonzernen hätte akzeptiert werden sollen. Denn eines ist mal klar: Die Regierung Merkel konnte nicht hoffen, bis zum Ende der verlängerten Laufzeiten noch im Amt zu sein. Es war mehr als wahrscheinlich, dass eine Nachfolgeregierung den Ausstieg vom Ausstieg wieder rückgängig machen würde. Dazu kann es nicht mehr kommen. Nach Fukushima meinte auch die Kanzlerin, die Atomkraft (politisch) nicht mehr zu brauchen. Die Energiekonzerne fürchten jetzt um ihre Renditen. Denn die Vormachtstellung bröckelt. Laut Branchenexperten wird der Anteil der großen Vier (Eon, RWE, Vattenfall, EnBW) an der Energieproduktion in Deutschland in diesem Jahr erstmals unter die 50-Prozent-Marke fallen. Da ist auch das Hoffen auf den gefürchteten Blackout im Winter vergebens. Die acht stillgelegten Atomkraftwerke bleiben endgültig abgeschaltet. Die Bundesnetzagentur kündigte gestern an, keines zur Überbrückung möglicher Stromengpässe im Winter nutzen zu wollen. Aber warten wir mal ab. Sollte es nur einen einzigen kurzen Stromausfall im Winter geben, die Politik wird mit Sicherheit wieder zu einer überraschenden Wende bereit sein.
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