Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Papstbesuch:
Bielefeld (ots)
Eine Viertelmillion Deutsche wird sich in den kommenden Tagen auf den Weg machen. Bei einem der fünf Großgottesdienste wollen sie mit Papst Benedikt XVI. die Heilige Messe feiern, seine Worte hören und die Kommunion empfangen. Hunderttausende auf der Straße werden versuchen, einen Blick zu erhaschen oder gar ein Handyfoto zu schießen, wenn der Deutsche auf dem Stuhl Petri einen seiner 30 Auftritte von Donnerstag bis Sonntag ansteuert. ARD und ZDF sind hohe Zuschauerzahlen gewiss. Nur eines ist nicht zu erwarten: Dass am Sonntag darauf die Gottesdienste wieder brechend voll sind, die Zahl der Kindtaufen ausnahmsweise einmal steigt und 2011 wenigstens einige junge Männer mehr bei den Priesterseminaren anklopfen. Nein, wir sollten uns und anderen nicht zu viel versprechen von dieser Missionsreise in ein Land des verdunstenden christlichen Glaubens. Ja, es gibt lebendige Gemeinden mit starken Pfarrern und unglaublich engagierten Laien. Aber die weißen Flecken zwischen diesen Inseln wachsen unaufhaltsam. Benedikt besucht ein bedrohtes Biotop. Gerade deshalb sollten wir ihn herzlich willkommen heißen und ihm zuhören - was, wie der Deutsche Bundestag vorlebt, nicht mehr selbstverständlich ist. Die katholische Lehre verweigert Geschiedenen vom Tisch des Herrn zu essen, Priestern die Heirat eines lieben Menschen und Frauen echte Mitsprache: »Der Spiegel« hat gestern zum Start in die deutsche Papstwoche alle Ärgernisse - auch aus Sicht vieler Katholiken - einmal mehr genüsslich aufgelistet. Das Urteil: Benedikt XVI. hält nicht, was sich die Deutschen von Joseph Ratzinger seit dessen Wahl zum Papst versprochen haben. Leider wahr. Weder die »Bild«-Schlagzeile »Wir sind Papst« vom 20. April 2005, noch das dieser Tage in Berlin gehisste weltgrößte Plakat gleichen Titels ändern etwas am Kurs des Oberhauptes von 1,2 Milliarden Katholiken. Er ist und bleibt der Fels Jesu, an dem sich die Welt reibt und abarbeitet. Wir sollten auf die Feinheiten achten. Benedikt geht aufs urkatholische Eichsfeld, das von Nazis beschimpft und von der DDR intensivst bespitzelt, aber nie wirklich beherrscht wurde. Er trifft im Kernland der Reformation die Führung der Evangelischen Kirche von Deutschland und - mit größter Wahrscheinlichkeit - einige der von seine Priestern schändlich missbrauchten Opfer. Eine Gegenwart, die der Amtskirche entglitten zu sein scheint, aber auch eine Vergangenheit, die einen seit 500 Jahren ungelösten Konflikt offen hält, sind Spannung genug, um diesen Besuch interessant, ja notwendig zu machen. Tradition und Herausforderung: Überall stellt sich Benedikt den Problemen mit einer unerschütterlichen Glaubensüberzeugung - wie schon einmal 1521 beim Reichstag zu Worms gehört: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.«
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