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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Stammzellen-Urteil

Bielefeld (ots)

Menschliches Leben ist nicht patentierbar. Die befruchtete Eizelle ist menschliches Leben. Folglich dürfen auch embryonale Stammzellen nicht patentiert werden. Das ist die einfache und durchaus logische Gedankenkette, die der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrundeliegt. Doch so einfach und logisch es auch klingen mag, so weitreichend und mutig ist das Urteil, das die Brüsseler Richter in bemerkenswerter Klarheit gefällt haben. Zum Glück, muss man sagen, denn dieses Urteil ist richtig und wichtig. Es legt den Begriff des menschlichen Lebens weit aus und lehnt seine ökonomische Verwertbarkeit konsequent ab. Dieses Urteil ist Ausdruck einer lebendigen Wertegemeinschaft, in der der Zweck eben nicht die Mittel heiligt. Es ist Ausdruck einer Wertegemeinschaft, in der nicht unbedingt alles erlaubt sein muss, was möglich ist, und in der erst recht nicht alles erlaubt sein muss, weil es andernorts auch nicht verboten ist. Einer Wertegemeinschaft schließlich, in der Versprechen auf die mögliche, aber keineswegs sichere Zukunft nicht unmittelbar mehr gelten als die damit verbundenen Gefahren. Das alles gilt besonders deshalb, weil davon auszugehen ist, dass der Brüsseler Richterspruch negative Folgen für den Forschungsstandort Europa haben könnte. Anders ausgedrückt: Dieses Urteil hat seinen Preis. Nicht nur steht in Frage, was aus den Fällen in Großbritannien und Schweden wird, wo nationales Recht bereits die Patentierbarkeit von Forschung an embryonalen Stammzellen vorsieht. Vor allem geht es darum, dass die Europäer ins Hintertreffen gegenüber den Forschungsstandorten USA und Asien geraten könnten. Auch ist nicht auszuschließen, dass hoch qualifizierte Forscher in größerer Zahl abwandern - »Brain Drain« genannt. Wie nicht anders zu erwarten, sind diese beiden Befürchtungen denn auch unmittelbar nach der Urteilsverkündung unüberhörbar beklagt worden. Triftig sind sie nicht, denn das Urteil schränkt die Forschung an embryonalen Stammzellen in keiner Weise ein. Einzig die Absicherung dieser Forschung durch Patente ist nach dem Richterspruch unzulässig, was wiederum die Kritiker ohne Umwege auf das Thema Finanzierbarkeit zu sprechen kommen lässt. Das ist an sich nicht ehrenrührig, wirkt jedoch in der gestern zum Ausdruck gekommenen linearen Kausalität - wenn keine Patente, dann keine Förderung der Forschung durch die Wirtschaft, wenn keine Förderung durch die Wirtschaft, dann bald keine Forschung mehr - arg überzogen. Im Gegenteil könnte man argumentieren, dass die Patentierung ganz allgemein nicht als Motor von Forschung fungiert, sondern als Bremse, weil sie die Konkurrenz außen vor hält und so den Wettbewerb einschränkt. Überhaupt wirkt verstörend, wie sehr die Urteilsgegner wirtschaftliche Aspekte ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen, wo es doch eigentlich um Fragen von Leben und Tod gehen sollte.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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