Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland
Bielefeld (ots)
Keine Woche hat die Euphorie nach den Brüsseler Gipfel-Beschlüssen gehalten, da kommt es zur nächsten Zerreißprobe für die Euro-Zone. Wieder sind die Griechen Stein des Anstoßes. Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat mit seiner Ankündigung, das eigene Volk über das Rettungspaket abstimmen zu lassen, die Mächtigen in aller Welt düpiert und die Märkte schockiert. Katastrophaler hätte die Kommunikation zwischen Europas Hauptstädten kaum laufen können. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy stehen blamiert da und sind zum dritten Krisengipfel binnen elf Tagen gezwungen. Die Reaktionen reichen von »Die spinnen, die Griechen« und »Dann lasst sie eben pleite gehen« bis hin zu Lob für den Respekt vor der Demokratie. Schließlich tue der Ministerpräsident nichts anderes, als die Souveränität des Volkes in einer für sein Land elementaren Frage zu achten. Richtig daran ist, dass sich die europäische Idee ohne die Zustimmung der Menschen langfristig ganz sicher nicht weiterverfolgen lässt. Griechenland aber befragt sein Volk in einem Moment, in dem es nicht nur für sich selbst entscheidet. Dieses Referendum ist mehr als eine nationalstaatliche Angelegenheit. Es betrifft auch die 16 anderen Staaten der Euro-Zone, und womöglich geht es sogar ums Ganze. Das macht Papandreous Kurs des doppelten Risikos so waghalsig. Mit der für morgen am späten Abend geplanten Vertrauensfrage im Parlament und dem nicht vor Januar möglichen Referendum will sich der griechische Ministerpräsident neue Legitimation beschaffen. Doch geht schon die Vertrauensfrage schief, dann steht Griechenland vor einem Regierungswechsel und dem sicheren Nein zum Rettungspaket, das die liberal-konservative Nea Dimokratia des Oppositionsführers Antonis Samaras bisher stets abgelehnt hat. Spricht das Parlament aber Papandreou trotz geschrumpfter Mehrheit des Regierungslagers erneut das Vertrauen aus, ist nichts gewonnen, aber viel Zeit verloren. Im Moment weiß niemand, was in den nächsten acht bis zwölf Wochen auf den Finanzmärkten los sein wird, wenn die Welt auf das Votum der Griechen wartet. In der Stunde der Not droht Europa der völlige Stillstand. Immer deutlicher wird, dass Europa für den Fall, dass Griechenland bankrott geht, einen Plan B braucht. Denn stürzt das Land ungeordnet in die Pleite, stehen zuerst die französischen Banken am Abgrund, und als nächstes könnte dann die Top-Bonität Frankreichs dahin sein. Ganz zu schweigen von der Gefahr, dass sich die Krise endgültig vom Rand in den Kern Europas frisst und Italien in einem Maß erfasst, dass selbst ein billionenschwerer Rettungsschirm nicht mehr ausreicht. Wer also glaubt, dass mit einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone alle Probleme gelöst wären, könnte gewaltig irren. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist nämlich, dass die Probleme dann erst richtig beginnen - und zwar nicht nur für die Griechen, sondern für alle Europäer.
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