Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Guttenberg/Plagiatsaffäre:
Bielefeld (ots)
Karl-Theodor zu Guttenberg bleibt die Schmach einer Verurteilung erspart. Der erwiesene Plagiator zahlt 20 000 Euro an die Kinderkrebshilfe, im Gegenzug stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Ein bisschen Buße, ein bisschen Schuld, aber kein Prozess: Die Staatsanwaltschaft hat sich elegant aus der Affäre gezogen. Der Beschluss der Staatsanwaltschaft erlaubt zwei Lesarten: eine juristische und eine moralische. Justitias Waage neigt sich zugunsten des Freiherrn. Paragraf 153a der Strafprozessordnung lässt eine Einstellung ausdrücklich nur bei geringer Schuld zu. Strafrechtlich steht Guttenbergs Abkupfern in seiner inzwischen für ungültig erklärten Doktorarbeit auf einer Stufe mit gehobenem Ladendiebstahl und Kleindealerei. Das polizeiliche Führungszeugnis bleibt unbefleckt. Doch zugleich stellt die Staatsanwaltschaft Hof fest: »Aus der Dissertation konnten 23 Textpassagen als strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße herausgearbeitet werden.« Nur der Umstand, dass nach Einschätzung der Ermittler Guttenbergs unfreiwillig abgeschöpften Quellen kaum wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, rechtfertigt die Verfahrenseinstellung. Verbotenes Abschreiben in 23 Fällen: Dieser Makel bleibt auch nach der Einstellung - ebenso wie das hartnäckige Leugnen, bewusst getäuscht zu haben. Was aber bedeutet das für den Politiker, der Guttenberg ja trotz des Rückzugs von allen Ämtern noch immer ist? Bundeskanzler - sogar dieses Amt war dem Umfragekönig auf dem Gipfel der Publikumsgunst zugetraut worden - wird er wohl nicht werden. Seine politische Heimat ist die CSU, und die könnte ein politisches Verkaufstalent mit Macher-Image, das der frühere Verteidigungsminister ja unbestritten hat, gut gebrauchen. Wie dünn die Personaldecke der CSU ist, erwies sich unlängst nach dem überraschenden Wechsel des Finanzministers Georg Fahrenschon zum Sparkassen- und Giroverband. Nur mit Mühe und nach langem Gezerre gelang Ministerpräsident Horst Seehofer die Neuordnung des Kabinetts. Doch bis zur nächsten Landtagswahl in Bayern gehen noch zwei Jahre ins Land, ebenso viele bis zur Bundestagswahl, bei der Guttenberg auch kandidieren könnte. Angela Merkel jedenfalls hält ihm die Türen in Berlin offen. Zwei Jahre Zeit also, um den Weg zurück zu ebnen. Guttenberg arbeitet bereits an seinem neuen Image. Die Glamour-Gelfrisur ist abgelegt, der Beweis der Läuterung folgt in Buchform, und angeblich, so wabert es aus der Gerüchteküche, sei eine zweite, echte Doktorarbeit in Vorbereitung. Der Politiker Guttenberg hat sich noch nicht abgeschrieben. Ob er noch zum Publikumsliebling taugt, wird erst ein Praxistest erweisen müssen.
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