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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu 300 Jahre Friedrich der Große

Bielefeld (ots)

Ein Hohenzoller in der Kutsche! Aber niemand schaut hin. Als im Sommer Georg Friedrich, der Chef der Dynastie, seine Prinzessin Sophie heiratete, nahm die Republik davon keine Notiz. Jetzt würde ein kleiner, gebeugter Herr mit Hut und Gehhilfe 300 Jahre alt - und die Republik feiert. Nein, tut sie nicht. Da müssen erst die Windsors kommen . . . Berlin ruft »Vivat, Fritz!«, kleine Ortschaften, in denen noch ein pensionierter Oberstudienrat lebt, der diesen Friedrich vom gleichnamigen Hohenstaufen unterscheiden kann, bestücken ein Regal mit vergilbten Altertümern und dörflichen Devotionalien, der Rest ist Schweigen. Dabei lässt sich über den Alten Fritz noch viel sagen, der Aufklärer auf dem Thron ist überraschend wenig erforscht. Tatsächlich hat sich Friedrich als Greis mit Knotenstock und Dreispitz in die napoleonische Ära verabschiedet und ist im Wilhelminismus als gesamtdeutsche Lichtgestalt wieder aufgetaucht. Das Haus Hohenzollern brauchte ihn, um in protodemokratisch unruhigen Zeiten die eigene Existenz zu rechtfertigen, die Bürger schätzten ihn als hochwohlgeborenen Bruder im aufgeklärten Geiste, und der Arbeiter, der mit Macht zum Bürger aufschloss, übernahm bereitwillig dessen großes Vorbild. 150 Jahre lang hätten die Deutschen irre werden können an den gewaltigen Veränderungen ideengeschichtlicher, wirtschaftlicher, globalpolitischer Art, aber Friedrich gab ihnen Halt. Passé. »Aus der preußischen Flasche kommt kein friderizianischer, bismarckscher oder wilhelminischer Geist mehr«, bemerkt Adam Krzeminski, und aus den Worten des polnischen Historikers hört man die Erleichterung heraus. Wir aber, die dasselbe denken, nehmen den Satz gleichmütig hin: Was hätte Friedrich uns noch zu sagen? Wir werden doch alle nach unserer Façon selig. Aber ob das stimmt? Und ob das alles sein kann? Dass Friedrich seinen 300. Geburtstag in relativer Stille begeht, stimmt ein wenig melancholisch. Auch deswegen, weil es so viele seines Formats ja nicht gibt, den die Deutschen feiern dürften. Karl der Große fällt uns ein, aber der war zur anderen Hälfte Franzose - er könnte zur Identifikationsfigur für jene Zukunft taugen, die sich aus Merkozy ergeben mag. Heinrich I., der Herr am Vogelherd? Vorbei, verweht. Luther! Ja, der Erschaffer der modernen deutschen Sprache wäre ein schöner Jubilar, und so sicher würdig des Gedenkens, dass die Protestanten wild entschlossen in einen fünfjährigen Ehrungsmarathon gehen. Der wird sie bis 2017 über holperiges Gelände führen, denn die katholische Seite hat verkündet, dass Deutschlands rechtgläubige Hälfte nur mitfeiert, falls die Ökumene geklärt ist. Mit Luther wird das also auch nichts. Es bleibt uns Deutschen nur 1989: die nationale Einheit. Und Friedrich: Der Zweite (für die Kritischen), der Große (für die Wissenden), der Einzige (für die Ehrfürchtigen). Mehr geht nicht.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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