Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Tarifstreit in der Metallindustrie
Bielefeld (ots)
Noch prägen Griechenland und die Eurokrise das politische Geschehen. Das dürfte sich in den nächsten Wochen ändern. Neues Thema: Deutschlands Arbeitnehmer wollen mehr Geld. 6,5 Prozent fordert die IG Metall für ihr Klientel. Dies sei ein »fairer« Anteil am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen, meint die Gewerkschaft. Das sei maßlos, reagieren die Arbeitgeber. IG-Metall-Chef Berthold Huber droht vorsorglich schon mal mit Warnstreiks, wenn die Arbeitgeber »bockig« sein sollten - das übliche Ritual einer Tarifauseinandersetzung. Tatsächlich wären 6,5 Prozent gemessen am Wirtschaftswachstum von zuletzt gut drei Prozent ein allzu großer Schluck aus der Pulle. Aber es gehört nun einmal zum Procedere, dass die Forderung zunächst hoch angesetzt wird, damit man sich später irgendwo unter- oder oberhalb der Mitte treffen kann. Die Gewerkschaft kann jedoch gute Gründe ins Feld führen: Deutschlands Wirtschaft brummt trotz gegenteiliger Prognosen auch weiterhin. Die Firmen verdienen gut - was sich auch daran ablesen lässt, dass viele Beschäftigte auch in OWL Boni erhalten haben. Zudem haben die Arbeitnehmer in den vergangenen zwei Jahren auf Lohnzuschläge verzichtet, um ihren Beitrag an der Bewältigung der Wirtschaftskrise zu leisten. 2010 gab es eine Nullrunde, 2011 waren es magere 2,7 Prozent mehr, was unter Einberechnung der Inflation ebenfalls einer Lohnstagnation gleichkommt und sich negativ auf die Binnennachfrage auswirkt. Rückendeckung erhält die IG Metall durch den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Professor Gert Wagner. »Es ist verständlich und gesamtwirtschaftlich vernünftig, dass die IG Metall mit einer relativ hohen Lohnforderung in die Verhandlungen einsteigt«, sagt er. Entscheidend aber ist, was sich die Unternehmen tatsächlich leisten können. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sieht bei drei Prozent die Schmerzgrenze erreicht. Wie IG-Metall-Chef Huber gilt auch der Vlothoer Unternehmer als erfahrener Stratege bei Tarifauseinandersetzungen. Es ist zu wünschen, dass sie die Situation nicht eskalieren lassen. Ein Streik hat auch immer Verlierer. Mindestens ebenso wichtig ist der Blick auf andere Branchen, die nicht von einer mächtigen IG Metall vertreten werden. Millionen Beschäftigte mussten zuletzt Reallohnverluste hinnehmen. Das gilt etwa für den öffentlichen Dienst der Länder, aber auch für Einzelhandel, Bauwirtschaft und Dienstleistungen. Hier hat es die Gewerkschaft schwer, tarifpolitische Erfolge einzufahren. So hat das Säbelrasseln der IG Metall auch viel mit Imagepflege und dem Werben um neue Mitglieder zu tun. 120000 neue Genossen pro Jahr brauchen die Metaller, um die Zahl der aktiven Mitglieder zu halten. 2011 waren es aber nur 114000. So wird klar, warum die IG Metall auch mehr Geld für die wachsende Zahl der Leiharbeiter erstreiten möchte.
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