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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Gauck und Merkel

Bielefeld (ots)

Joachim Gauck wird der beste Bundespräsident aller Zeiten, und die von der FDP düpierte Kanzlerin Angela Merkel ist die große Verliererin des Kandidatenpokers. Das sind auf den ersten Blick die beiden Botschaften des Wochenendes. Aber stimmen sie auch? Gauck bringt ganz sicher vieles mit, um ein gutes Staatsoberhaupt zu werden. Den Vergleich mit seinen beiden Vorgängern muss der 72-Jährige gewiss nicht scheuen. Ob das jedoch reicht? Die Erwartungshaltung ist riesig - im Volk wie bei den Parteien. Die Fallhöhe ist es auch. »Nicht gewaschen und verwirrt«, wie er sich in der Pressekonferenz am Sonntag selbst beschrieb, werden wir Gauck zukünftig bestimmt nicht mehr erleben. Unstrittig ist auch, dass er die Kunst der Rede meisterlich beherrscht. Und gerade seine Freiheitsliebe dürfte den Deutschen, für die ja im Zweifel stets die Sicherheit vorgeht, guttun. Doch Joachim Gauck wird kein pflegeleichter Präsident sein. Gerade den Parteien, die sie sich seine Erfindung zugute halten und darüber vor Genugtuung fast zu platzen drohten, dürfte er noch manche Zumutung bescheren. Enttäuschungen inklusive. Überhaupt muss man feststellen, dass zwischen dem Bundespräsidenten der Herzen von 2010 und dem Bundespräsidenten in spe von 2012 mehr als nur 20 Monate liegen. Zuletzt haben Gaucks Äußerungen zu den Demonstrationen gegen Stuttgart 21 Kritik hervorgerufen. Er warnte vor einer Protestkultur, »die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht«. Die Occupy-Bewegung nannte er im gleichen Atemzug »unsäglich albern«. Bei alledem mangelt es ihm nicht an Selbstbewusstsein und Geltungsdrang, was im Aufregungsbetrieb Berlin nicht immer ein Vorteil sein muss. Gauck wird seine Redefreude und seine Spontaneität zügeln müssen. Und Angela Merkel? Die Kanzlerin hat am Wochenende lernen müssen, dass sich sogar eine am Boden liegende FDP nicht unbegrenzt demütigen lässt. Dass die Liberalen im Zweifel sogar den Koalitionsbruch in Kauf genommen hätten, um sich einen Rest an Selbstachtung zu wahren, dürfte die CDU-Vorsitzende überrascht haben. Ein großer Schaden aber muss ihr daraus nicht zwangsläufig entstehen. Ihr Einlenken in letzter Minute bringt ihr mindestens soviel Respekt in der Bevölkerung ein, dass die Häme der politischen Konkurrenz zu verkraften ist. Und spätestens mit der Wahl am 18. März ist das Thema Gauck fürs erste ohnehin durch. Die Atomwende lässt grüßen. Eine andere Frage ist, was der Koalitionskrach für die Zukunft von Schwarz-Gelb bedeutet. Aus Mangel an Alternativen werden die Partner vorerst aneinander festhalten. Jedoch hat die FDP die Tür mindestens einen Spalt weit in Richtung Ampelkoalition geöffnet. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 könnten die bisher recht starren Parteilager in den nächsten Monaten noch gewaltig in Bewegung geraten

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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