Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Rettungspaket für Griechenland:
Bielefeld (ots)
Das Rettungspaket für Griechenland ist gepackt. Doch bevor es abgeschickt werden kann, müssen erst noch die Parlamente in Athen, Berlin und anderen europäischen Staaten zustimmen. Die Erfahrung lehrt, dass dies mehr ist als eine Formalität. Schließlich verzichten die öffentlichen und privaten Gläubiger im Fall Griechenlands auf 107 Milliarden Euro. Und wie viel von den neuen Krediten in Höhe von 130 Milliarden Euro wirklich zurückfließen wird, kann man einstweilen nur mutmaßen. Skepsis ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit verständlich. Ist das Rettungspaket dann irgendwann angekommen, soll es natürlich seine Wirkung entfalten. Das erste Ziel, die Abwendung des sofortigen Staatsbankrotts, wird sicherlich erreicht. Aber es geht um mehr: um die Heilung des griechischen Patienten und damit die Beseitigung einer Ansteckungsgefahr für andere europäische Volkswirtschaften. Schlussendlich und vor allem geht es um den Erhalt des Euro. Die mit dem Rettungspaket verbundenen Sparmaßnahmen muten der griechischen Bevölkerung viel zu. Schon jetzt ist jeder Fünfte arbeitslos. Beamte, Rentner, ja fast alle Griechen haben weniger Geld in der Tasche, müssen aber mehr für ihren Lebensunterhalt aufbringen. Das motiviert weder die Betroffenen noch die Investoren, die dringend gebraucht werden, um die Talfahrt der griechischen Volkswirtschaft umzukehren. Wann, wenn nicht jetzt, sollte für Griechenland die Stunde Null schlagen? Dazu aber muss sich Grundlegendes ändern. Steuerhinterziehung, Rechtsbeugung und Korruption sind keine Kavaliersdelikte, sondern die schlimmsten Krankheitserreger einer Gesellschaft. Sollte Griechenland den Weg aus der Krise finden, wäre das der wichtigste Schritt zur Gesundung des Euro. Ihm vor allem hilft der jetzige Schuldenschnitt. Zwar gibt es keine Garantie, dass Spekulanten nicht trotzdem demnächst die Solidität von Irland, Italien, Spanien, Portugal und vielleicht sogar von Frankreich testen. Die Vorlagen liefern in den USA ansässige Ratingagenturen, die - vorsichtig formuliert - nicht frei von politischem Einfluss sind. Die Vorbereitung einer eigenständigen europäischen Ratingagentur, für die sich unter anderem Roland Berger und die Gütersloher Bertelsmann-Stiftung stark machen, ist daher unabdingbar. Diskussionen, ob das Paket groß genug ist, sind dagegen fast so überflüssig wie der menschliche Blinddarm. Bevor noch mehr Geld nach Griechenland fließt, das dann zum Aufbau der Wirtschaft eingesetzt werden kann, muss das Land erst noch ein Mal »liefern«. Dabei ist das erwähnte Umschwenken von der Ego- und Vettern- hin zu einer modernen Volkswirtschaft noch wichtiger, als es die reinen Sparbeschlüsse sind. Diese reichen immerhin aus, um die europäische Finanzbranche so zu stützen, dass kein Anleger Angst um sein Erspartes oder seine Lebensversicherung haben muss, weil die Bank oder der Versicherungskonzern viel in griechische Staatsanleihen investiert hatte.
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