Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan
Bielefeld (ots)
Das US-Imperium zerstört erneut seine Glaubwürdigkeit in der muslimischen Welt. Die jüngste Koranschändung in Afghanistan vernichtet das Ansehen einer Weltmacht, die Freiheit, Demokratie und Menschenwürde propagiert. Da nützt auch keine Entschuldigung oder Ausrede, die Verbrennung der muslimischen Texte sei versehentlich geschehen. Für Muslime ist der Koran Gottes Wort. Zu Recht fühlen sie sich erniedrigt und beleidigt. Der jüngste Zwischenfall steht in einer Reihe hässlicher Angriffe auf die muslimische Würde: Erst wurden Korantexte durch die Toiletten von Guantanamo gespült, dann urinierten US-Soldaten auf Taliban-Leichen, und nun wurde der Koran verbrannt. Diese Schandtaten und die Folterszenen aus Abu Ghraib genügen, um jeden Muslim zu erzürnen. US-Präsident Barack Obama wollte einst »einen Neuanfang zwischen den Vereinigten Staaten und den Muslimen wagen«. Das war gut gemeint, doch seine Landsleute lassen ihn dabei im Stich. So meint der republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Santorum, der Islam sei »im Krieg« mit dem Westen und Europa verliere diesen Krieg gerade. Der gescheiterte Herman Cain wollte keinen Muslim in seiner Regierung, Newt Gingrich verglich Muslime mit Nazis, und auch der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hält die »Dschihadisten« für die größte Gefahr der USA. Seit dem 11. September 2001 wurden die anti-muslimischen Ressentiments kaum entschärft. Hier entsteht ein großer Widerspruch: Die USA halten sich für tugendhaft, zugleich missachten sie die Kultur fremder Nationen. Ihre »weiche Macht« soll sich zwar durch amerikanische Werte weltweit durchsetzen, zugleich aber treten sie militant, arrogant und unsensibel auf. Es ist somit verständlich, dass es zum Rückstoß gegen die US-Präsenz kommt. Und dass die angeblich friedliche und tugendhafte amerikanische Weltordnung scheitert. Die USA hatten schon in Vietnam ihre Glaubwürdigkeit verloren. Ein Krieg zur Verteidigung der »Demokratie« wird absurd, wenn das verteidigte Land - wie Südvietnam - eine Militärdiktatur ist. Seitdem ist es den USA kaum gelungen, die kulturelle, religiöse und politische Eigenständigkeit anderer Länder zu respektieren - nicht in Somalia, Irak, Sudan, Pakistan und Afghanistan. Diese Stammesgesellschaften haben strenge Strukturen. Es ist unsinnig, ihnen ein fremdes politisches System aufzwingen zu wollen. Ein Land, das die Religion anderer Kulturkreise nicht respektiert, diskreditiert sich selbst. Fast könnte man meinen, die jüngsten anti-muslimischen Frevel wurden von Präsident Obamas Gegnern bewusst inszeniert, um seine Wiederwahl zu verhindern. Denn Obama glaubt noch immer an die friedliche Koexistenz der Religionen. Die meisten seiner Landsleute leider nicht.
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