Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Frankreich:
Bielefeld (ots)
Die Wahl hat François Hollande für sich entschieden. Die Macht reicht dem neuen französischen Staatspräsidenten noch nicht. Am Abend der Entscheidung gab es keinen Politiker der Bürgerlichen, der dem neuen Hausherrn des Élysée-Palastes nicht höflich und »in republikanischer Gesinnung« beglückwünschte. Aber die Statements und Reaktionen machten klar: Der Sieg Hollandes war nur eine Etappe, jetzt geht es in den dritten Wahlgang, die Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni. Selbst die sozialistischen Barone wirkten nicht besonders fröhlich. Sie wissen: Wenn die Konservativen zusammenhalten, könnte es zu einer Kohabitation, zu einer Machtteilung kommen, die den Präsidenten lähmt. Noch-Außenminister Alain Juppé gab das Ziel vor: Die Republik brauche ein »Gleichgewicht der Mächte«. Wenn eine Partei sowohl über das Präsidentenamt, als auch über die Mehrheit im Senat, in den Regionen und den Kommunen verfüge, sei das schädlich für die Demokratie. Dann müsse wenigstens in der Nationalversammlung ein Gegengewicht gebildet werden. Dies wird das Hauptargument der Bürgerlichen im Wahlkampf sein. Befreit von der Last des ungeliebten Präsidenten Nicolas Sarkozy werden die Kandidaten jetzt programmatisch auftreten können. Die sozialistische Politiker fürchten, dass sich der Sieg um das Élysée sich als Pyrrhus-Sieg entpuppen könnte. Die neuen starken Kräfte bemühten das Argument, dass ein »Wiederaufbau des Landes«, ein »Politikwechsel« ohne Mehrheit im Parlament nicht möglich sei. Juppé zeigte sich versöhnlich, und bot im Interesse des Landes die Zusammenarbeit an. Darauf wird wird Hollande vielleicht bald angewiesen sein. Seine außenpolitischen Vorstellungen sind nur schwer mit denen der engsten Partner in Übereinstimmung zu bringen. In Berlin stößt er auf eine freundliche Kanzlerin, auf dem Nato-Gipfel in Chicago und dem G 8-Gipfel in Camp David wird er ebenfalls auf freundliche Gesichter stoßen, genauso auf den Treffen der EU und bei seinen ersten Besuchen im Ausland. Aber alle werden abwarten, wie die Parlamentswahlen verlaufen. Erst Ende Juni wird man wissen, in welche Richtung Frankreich sich wendet. Bis dahin wird Hollande einige seiner Wahlversprechen umsetzen. Er wird die Schulprämie erhöhen und die Benzinpreise für drei Monate einfrieren. Hollande weiß, das er ohne Mehrheit im Parlament eine lahme Ente wäre, noch bevor er angefangen hat zu regieren. Erst wenn er die Legislative hinter sich hat, kann er auch im Ausland glaubwürdig sein Programm umsetzen. Das Problem für die Bürgerlichen sind die Rechtsaußen. Wenn die beiden feindlichen Brüder rechts von der Mitte sich nicht arrangieren, werden die Sozialisten als lachende Dritte auch das Parlament erobern. Und dann hätten sie, wovor die Bürgerlichen warnen: Einen Blankoscheck zur Machtausübung. Das aber werden die Franzosen auf Dauer kaum ertragen.
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