Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Soziale Medien
Bielefeld (ots)
SPD-Chef Sigmar Gabriel twittert seit etwa einer Woche - und lässt dies groß verkünden. Ist das überhaupt eine Nachricht? Steht es einem Politiker zu, sich mit dieser Handlung, mit der Bedienung eines Kommunikationskanals zu rühmen? Nein. Die Nutzung moderner Medien sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Facebook, Twitter und Youtube sind ein Bestandteil des Lebens, dem sich kein Politiker verweigern darf. Der Branchenverband Bitkom hat die Mediennutzung untersucht. Demnach sind 55 Prozent der Deutschen Mitglied in einem Sozialen Netzwerk. Schaut man sich nur die 14- bis 29-Jährigen an, sind es 91 Prozent. Sie machen mit, weil sie dort unkompliziert mit anderen Menschen in Kontakt treten können. Kein anderer Kommunikationskanal verlangt von seinem Nutzer so einen geringen Aufwand. Das baut Hemmnisse, sogar Hierarchien ab, wenn jeder mit jedem ins Gespräch kommen kann - unabhängig von seinem Status. Für Politiker sind Soziale Netzwerke deshalb eine großartige Chance, direkt mit der Bevölkerung zu interagieren. Jede Seite kann zu jeder Zeit Fragen stellen, jede Seite zu jeder Zeit Antworten erhalten. Das schafft auf Seiten der Wähler ein Gefühl von Ernstgenommen-Werden, von Mitwirken-Können. Die Piraten-Partei ist auch deshalb so erfolgreich, weil sie direkt mit Menschen kommuniziert und dadurch eine Beziehung aufbaut. Diese Manko gestehen die etablierten Parteien ja sogar selbst ein. Natürlich braucht der Politiker mehr Mitarbeiter, um zügig auf Kommentare reagieren zu können. Kein Nutzer, der den Aufwand einer kontinuierlichen Bespielung kennt, wird erwarten, dass der Politiker jeden Kommentar selbst schreibt. Was er, der Wähler, aber erwarten sollte, ist, dass der Kanal nicht als Kampagnenplattform missbraucht wird. Eine persönliche Note muss sein. Ein Beispiel: Die ehemalige Politische Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, fragte über ihre Facebook-Seite, wie hoch der volkswirtschaftliche Schaden eines einzigen schlecht ausgebildeten Lehrers sei, der Kinder Mathematik hassen lasse. Man beachte: Sie fragte. 700 Personen freuten sich über die Mitwirkung an einer Debatte, 27 Kommentare folgten. Politiker können Diskussionen anregen. Oder - und das sind Negativbeispiele - nur Wahlslogans veröffentlichen. Sie können auch zur Facebook-Party einladen - und diese dann nicht zum Austausch über Politik, sondern als PR-Kampagne nutzen. CSU-Chef Horst Seehofer erlitt damit jüngst einen Schiffbruch. Es kommt immer auch auf die Art der Kommunikation an. Fest steht: Genauso wie Politiker Briefe, E-Mails und das Telefon zur Kommunikation nutzen, sollten sie sich Sozialer Medien bedienen. Es geht nicht darum, das eine gegen das andere einzutauschen, sondern um eine zusätzliche Möglichkeit. Und die ist im Jahr 2012 nun einmal Realität. Ob man das will oder nicht.
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