Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Tarifabschluss der IG Metall
Bielefeld (ots)
Streik abgewendet! Gewerkschaft und Arbeitgeber zufrieden! Der Abschluss in der Metallindustrie ist für alle Seiten ein Erfolg - wenn auch mit Einschränkungen. 4,3 Prozent mehr Geld sind ein Punkt für die Gewerkschaften. Beim Thema Mitbestimmung bei der Zeitarbeit hat sich das Arbeitgeberlager durchgesetzt. Und auch die vereinbarte unbefristete Übernahme der Auszubildenden lässt den Firmen ein Hintertürchen offen - folglich können beide Seiten für sich einen Verhandlungserfolg beanspruchen. Für den Industriestandort Deutschland ist der Tarifabschluss insgesamt als Gewinn zu sehen. In Zeiten voller Auftragsbücher wäre ein Streik für alle Parteien schädlich gewesen. Das nun fällige Lohnplus können die Firmen schultern. Nicht nur, weil sie in der Regel gut verdienen, sondern auch, weil sie durch stetig steigende Effizienz - also schnellere und sparsamere Maschinen - ihre Personalkostenquote gering halten. Da sind ein paar zehntel Prozentpunkte mehr Lohn eher zu verkraften als eine teure Maschine, die tagelang stillsteht. Obendrein berücksichtigt die kurze Laufzeit von 13 Monaten den Fall, dass es bei den Unternehmen als Folge der europäischen Finanz- und Währungskrise schon bald nicht mehr so rund läuft wie bisher. Aus Arbeitnehmersicht aber ist wichtig, dass (auf zwölf Monate gerechnet) knapp vier Prozent mehr Geld deutlich über der Inflationsrate von derzeit etwa 2,5 Prozent liegen. Höhere Kosten durch steigende Sprit- und Strompreise werden kompensiert und die Kaufkraft gestärkt. Davon können Länder wie Spanien oder Griechenland nur träumen. In diesem Punkt dürfen sich die Gewerkschaften zu Recht auf die Schulter klopfen. Anders sieht es bei der Leiharbeit aus. Die von der IG Metall angestrebte Stärkung der Betriebsräte durch mehr Mitbestimmung bei der Beschäftigung von Leiharbeitern ist fehlgeschlagen. Unternehmen haben weiterhin die Flexibilität wie bisher. Dass Leiharbeiter nach zwei Jahren Einsatz vom Betrieb fest übernommen werden müssen, ist wohl eher ein Erfolg auf dem Papier. Denn in der Praxis bleiben die Zeitarbeiter gar nicht so lange im Betrieb. Und doch hat die Gewerkschaft hier erstmals ein Zeichen gesetzt: Leiharbeiter, so die Botschaft, gehören zur Gesamtbelegschaft. Eine Zweiklassengesellschaft an der Werkbank soll es nicht geben. Auch bei der von der IG Metall geforderten unbefristeten Übernahme der Auszubildenden gibt es eine Einschränkung, die den Verhandlungerfolg relativiert. Wenn ein Betrieb einen Azubi partout nicht übernehmen will, gibt es dafür einen Weg. Die Frage ist, ob es angesichts des vielerorts beklagten Fachkräftemangels dazu überhaupt kommt. »Dieser Abschluss war eine recht komplizierte Geburt«, fasst Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser das Ergebnis zusammen. Schon deshalb wäre es wünschenswert, wenn der Pilotabschluss nun von allen anderen Verbänden übernommen wird.
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