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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Wahl in Griechenland

Bielefeld (ots)

Da sage noch einer, die Griechen seien zu positiven Überraschungen nicht mehr fähig: Mit dem Einzug ins EM-Viertelfinale ist ihrer Fußball-Nationalelf ein echter Coup gelungen. Respekt! Doch nicht König Fußball war es, der an diesem Wochenende ganz Europa und die halbe Welt nach Hellas blicken ließ, sondern die Neuwahl des Parlaments. Vom Schicksalstag war die Rede, und die Frage lautete: Setzen sich die etablierten Parteien unter Führung der konservativen Nea Dimokratia durch oder gewinnt die radikale Linke? Im Klartext also: Soll es mit oder ohne Euro weitergehen? Mit Blick auf die dramatische Lage in Athen schien jedes Ergebnis recht, sofern es nur klar ist. Doch das blieb zunächst aus. Zwar lagen die Konservativen knapp vorn, ob es am Ende aber wirklich zu einer stabilen Regierung reicht, ist nicht sicher. Dabei wäre nichts schlimmer als eine erneute Hängepartie. Weitere Wochen der Ungewissheit kann sich Griechenland nicht leisten. Das Geld für Medikamente, Löhne und Renten wird knapp. Jede Partei oder Koalition, die am Ende als Sieger hervorgeht, wird gezwungen sein, eine Lockerung des Spardiktats zu fordern. Wesentlich wird also sein, inwieweit die Euro-Zone einer neuen griechischen Regierung entgegenkommen kann und will. Im Fokus steht dabei einmal mehr Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet eine Gratwanderung. Auch angesichts der Stimmung in Deutschland wird sie festhalten an ihrem Credo, dass Sparsamkeit und Konsolidierung in ganz Europa an erster Stelle stehen müssen. Da sich jedoch die politische Lage in manch anderem Mitgliedsland der Euro-Zone zuletzt deutlich verändert hat, ist Merkel zur Kompromissbereitschaft gezwungen. Andernfalls wäre die Gefahr groß, dass Deutschland schon bald vollends isoliert dasteht. Griechenland verdient in jedem Fall ein spürbares Zeichen, dass die immensen Sparanstrengungen, denen sich das Land unterwirft, gewürdigt werden. Ohne die Hoffnung der Hellenen, dass sich diese Rosskur für sie auch lohnen kann, wird Griechenland tatsächlich zu einem hoffnungslosen Fall. Eine bereits vor dem Wahltag angedeutete Streckung des Sparprogramms könnte solch ein Zeichen sein. Doch darf diese Maßnahme gerade nicht die Begehrlichkeit jener Euro-Länder verstärken, die, angeführt vom sozialistisch regierten Frankreich, eine grundsätzliche Abkehr von der gerade erst mühsam errungenen Haushaltsdisziplin fordern und das Ganze dann reichlich verbrämt »Wachstumsimpulse« nennen. Gerade im deutschen Interesse muss es liegen, Europa und die Euro-Zone zusammenzuhalten. Doch ein geeintes Europa ist kein Wert an sich, es braucht ein wirtschaftlich starkes Europa. Das wird zwar überall so gesehen, bloß reicht die Erkenntnis nicht aus, wenn ihr keine Taten folgen. Weitere Überraschungen sind also nicht nur in Griechenland möglich - leider auch böse.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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