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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Thema "Erbgut-Test für Ungeborene"

Bielefeld (ots)

Für werdende Eltern scheint es eine gute Nachricht zu sein, dass jetzt ein neuartiger Test auf den Markt kommt, der ohne Risiko für Mutter und Kind das Down-Syndrom nachweisen kann. Medizinisch gesehen ist das sicherlich ein großer Fortschritt. Doch der »Praenatest« hat auch gefährliches Potenzial: Er ist ein Türöffner für eugenische Selektion - in vielleicht nicht mehr so ferner Zukunft könnten die Menschen darüber bestimmen, welche Anlagen und Eigenschaften ihre Kinder haben sollen. Die vorgeburtliche Diagnostik ist ein Wachstumsmarkt, denn das Durchschnittsalter der Gebärenden und damit das Auftreten von Chromosomenabweichungen wie der Trisomie 21 - besser als Down-Syndrom bekannt - steigt stetig an. Kaum jemand zweifelt daran, dass der »Praenatest« auf großes Interesse bei Eltern stoßen wird - und die ohnehin schon hohe Zahl der Abtreibungen bei positiver Trisomie 21-Diagnose wachsen wird. Dabei ist dieser Test erst der Anfang. Mit einem kürzlich publizierten Verfahren amerikanischer Forscher ließen sich, wenn es denn einmal zuverlässig anwendbar ist, die Anlagen für mehr als 3000 genetische Erkrankungen nachweisen. Und damit auch nicht-krankheitsbezogene Anlagen wie zum Beispiel das Geschlecht. Bislang bezieht sich die vorgestellte Studie auf eine Probe aus der 18. Schwangerschaftswoche. Die Wissenschaftler sind aber davon überzeugt, dass ihre Vorgehensweise prinzipiell auch bei Blutproben aus der achten Schwangerschaftswoche aussagekräftig sein wird - bis zur 14. Schwangerschaftswoche ist Abtreibung in Deutschland straffrei. Es könnte eine sehr lange Liste der Krankheiten sein, der Eigenschaften, der Anlagen, die nach unseren geltenden Maßstäben und Vorstellungen als nicht »normal« gelten, die wir also mithin unseren Kindern nicht wünschen. Wer aber soll künftig bestimmen, welche Wahrnehmung von Normalität noch vernünftig ist? In Indien und China etwa werden schon heute die meisten Abtreibungen vorgenommen, weil die ungeborenen Kinder einen - nach dortiger Lesart - nicht hinnehmbaren Gendefekt haben: Sie sind Mädchen. Der gefährlich ungefährliche Test eröffnet eine furchtbare Vision - die Schwangerschaft auf Probe. Irgendwann könnten mit Hilfe vorgeburtlicher Gendiagnostik alle chronischen Krankheiten und Behinderungen ausgeschlossen werden - wir werden uns aussuchen, ob unser Kind ein Junge oder ein Mädchen sein soll, ob es braune Augen oder blonde Haare hat oder auch ob es später einmal musikalisch oder sportlich sein wird. Noch schützen in Deutschland Gesetze das ungeborene Leben vor sogenannten Lifestyle-Tests. Doch der »Praenatest« legt bereits jetzt fest, welches Leben künftig nicht mehr sein darf: Kinder mit Down-Syndrom, auch wenn sie wie andere Kinder lachen und weinen, lesen und schreiben können, Schauspieler werden oder sogar promovieren. Das können wir nicht wollen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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