Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Todesstrafe
Bielefeld (ots)
Die zweite Hinrichtung eines Menschen ist unzulässig, weil schon der erste Versuch inakzeptabel war. So einfach ist die Beurteilung des Falls Romell Broom aus deutscher Sicht. In den USA ist das anders. Zwei Drittel der 50 Bundesstaaten halten am alttestamentarischen Racheprinzip Leben um Leben fest. Nur deshalb wird um die Frage, ob die Hinrichtung zweites Mal versucht werden darf, ein irritierend bedrückender Rechtsstreit geführt. Weder der Humanismus des aufgeklärten Abendlandes noch das archaische Gesetz, nachdem das Überleben eines Hinrichtungsversuchs ein Fingerzeig Gottes ist, passt in das starre Rechtsschema der USA. Deren Hinrichtungspraxis wirft dunkle Schatten auf die so oft reklamierte vermeintliche Überlegenheit freier westlicher Gesellschaften. Im alten Europa sind Erzählungen über gerissene Galgenstricke oder berstende Richtäxte allenfalls schauriger Höhepunkt der historischen Romane etwa von Christopher J. Sansom. Nur in den Vereinigten Staaten des 21. Jahrhunderts ist man noch nicht über die Frage des gescheiterten Henkers zur Zeiten des Tudors Heinrich XVIII. hinaus: Was nun, mein König? Der Ausgang des Verfahrens Romell Broom bleibt völlig offen. Absolut nicht ausgeschlossen ist, dass es in einigen Jahren zu einem zweiten Tötungsversuch kommen wird. Unerträglich. Sicher ist, dass die Vollstreckung eines einzigen Todesurteils Gesamtkosten von 23 Millionen Dollar verursacht. Das haben Kritiker errechnet. Jahrelange Proteste - selbst mit dem perfiden Dollarargument - gegen die archaischste und primitivste Form von Rechtspflege haben nichts bewirkt. Filmemacher Michael Verhoeven führt in seinem Film ein bestechendes Funktionsargument an: Die Todesstrafe hat mit Recht nichts zu tun. Sie ist ein Politikum, denn der Richter wird von der Bevölkerung direkt gewählt. Will ein Distrikt einen rigorosen Richter, dann muss er zur Verhängung der Höchststrafe bereit sein. Selbst wenn der Kandidat die Giftspritze innerlich ablehnt, sollte er das nicht öffentlich zugeben. Schlimmer noch: Erst einmal auf der Richterbank, wird er auch Todesurteile fällen. Er will schließlich wiedergewählt werden. Kurz: US-Richter sind nicht unabhängig, sondern populistischen Tendenzen unterworfen. Wir sollten uns nichts vormachen. Würde hierzulande ein ähnliches System praktiziert, hätte ein Richter vom Typ Gnadenlos in bestimmten Problembezirken - und beileibe nicht nur bei den Hinterwäldlern - die besseren Aussichten auf den Wahlsieg. Weiterungen eingeschlossen. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 haben die USA knapp 1300 Mal vollstreckt. Alle weiteren 3170 Kandidaten auf »Death Row« in jenen nach vorne raumhoch vergitterten Einzelkäfigen dürfen nur wenig Hoffnung auf Gnade haben. Sie werden eher wahnsinnig, als dass sie noch eine Wendung ihres Schicksals und die Wiedererlangung ihrer Würde erleben.
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