Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan
Bielefeld (ots)
Es gab Zeiten, da bekam ein Verteidigungsminister Applaus für den Satz »Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt«. Diese Worte von Peter Struck (SPD) sind im Laufe der Zeit diskussionsbedürftig geworden. Die Gegenwart hat gezeigt: Unsere Sicherheit wird nicht zuerst in Afghanistan verteidigt. Wir haben genug damit zu tun, sie in Deutschland zu erhalten. Sind es doch immer mehr in Deutschland geborene Menschen, die sich radikalisieren und den Staat unterwandern. Einige stellen sich im Ausland in den Dienst von El-Kaida, andere schüren religiösen Hass von Frankfurt, München oder Hamburg aus. Afghanistan als Brutstätte islamistischen Terrors war einmal. Vielfach entsteht radikales Gedankengut weit entfernt vom Hindukusch. Der Kampf für Sicherheit beginnt vor der Haustür. Das wurde zu lange ignoriert - auch noch, als terrorbereite Islamisten plötzlich im beschaulichen Sauerland auftauchten. Angesichts von wachsenden Tendenzen der Radikalisierung in Deutschland wirkt unser Einsatz in Afghanistan hilflos. Deutsche Soldaten kämpfen knapp 5000 Kilometer von der Heimat entfernt gegen radikale Fundamentalisten. Ein aussichtsloses Unterfangen. Gleichzeitig bricht sich die Radikalisierung im eigenen Land Bahn - nicht nur im islamisch geprägten Umfeld. Rechtsextreme gehören zur Wahrheit ebenso dazu. Nur ein entschlossenes Vorgehen gegen diese Entwicklung wird für Sicherheit und Frieden sorgen. Ein lohnendes Unterfangen. Das dem »Spiegel« vorliegende Geheimpapier des Bundesnachrichtendienstes (BND) bestätigt ohnehin die Aussichtslosigkeit des Einsatzes. Die Nato-Strategie, mit Vertrauen Vertrauen zu erzeugen, geht nicht auf; auch wenn die Bundesregierung stets die Übergabe der Verantwortung an die afghanische Bevölkerung unterstreicht. Das Ergebnis ist brutal: Soldaten sterben, weil das Vertrauen in die heimischen Kräfte überschätzt wird. Es ist ein ehrbares Ansinnen, den Afghanen wieder Handlungskompetenz übertragen zu wollen. Doch Kooperation ist in diesem Falle gefährlicher als Besatzung. Die Afghanen sind längst nicht in der Lage, ihr Land selbst zu erneuern. Zu festgefahren sind alte Verhaltensmuster, ethnische Konflikte und Gewaltspiralen. Das liegt keineswegs nur an El-Kaida. Das Terrornetzwerk ist ein Teil der traurigen Geschichte des Landes. Das verworrene Geflecht aus Unterstützern radikaler Kräfte reicht weit darüber hinaus. Jemen und Pakistan sind zwei von vielen Beispielen. Der Militäreinsatz steckt in einer Zwickmühle. Es geht nicht mit und nicht ohne Soldaten vorwärts. Es wäre allerdings ein Gesichtsverlust des Westens, in dieser Situation davonzulaufen. Deshalb werden zehntausende Soldaten auch nach 2014 in Afghanistan bleiben müssen - auch deutsche Einheiten. Es ist allerdings die Pflicht der Bundesregierung, das den Bürgern auch so offen zu sagen.
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