Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu politischen Talkshows
Bielefeld (ots)
Hat Stefan Raab dem austauschbar und langweilig gewordenen Format der politischen Talkshow neues Leben eingehaucht? Nein, hat er nicht. In »Absolute Mehrheit«, das am Sonntagabend bei Pro7 Premiere feierte, hat er Politik zu einer Castingshow gemacht, und damit verkommt eine ernste Angelegenheit endgültig zur Unterhaltung samt Gewinnspiel für die Gäste und die Zuschauer. Akzeptanzprobleme haben politische Talkshows schon lange. Neue Erkenntnisse liefert das Dauergeplapper der überall nahezu identischen Gäste in den seltensten Fällen. Solche Sendungen nützen nur den Politikern selbst, weil sie eine Bühne der Selbstdarstellung sind und eine Gelegenheit bieten, sich als volksnah, durchsetzungsstark und kämpferisch zu gebärden. Früher waren politische Talkshows selten und dadurch noch etwas Besonderes. Man denke nur an das legendäre »Im Kreuzfeuer«, bei dem Claus Hinrich Casdorff und Rudolf Rohlinger in der ARD Politiker in die Mangel nahmen und 1972 den CSU-Chef Franz Josef Strauß zur Weißglut trieben (»Wissen Sie, solche Überfallfragen liebe ich nicht. Bitte lassen Sie dös«). Heute sind politische Talkshows alltäglich, eine austauschbare Massenware: montags Plasberg, dienstags Maischberger, mittwochs Will, donnerstags Beckmann und Illner, sonntags Jauch und Raab. Inflation ist aber nie gut, weder beim Geld noch im Fernsehen. Quark schmeckt nicht dadurch besser, dass man ihn breittritt. Wenn zum 20. Mal in der ARD über Zweiklassenmedizin, Korruption, Jugendwahn oder Pflegenotstand diskutiert wird, ist das Zeit- und Gebührenverschwendung - auch wenn der Sender noch so oft behauptet, er erfülle damit seinen Bildungs- und Informationsauftrag. Die Fülle der Talkshows leistet dem Eindruck Vorschub, als würde Politik bei Plasberg oder Jauch gemacht und nicht mehr im Bundestag. Zum Glück ist das aber nicht so, denn im Fernsehen finden Hahnenkämpfe statt, keine wirklichen Auseinandersetzungen mit dem Ziel, zu einer Lösung zu kommen. Die Argumente der Vertreter der Parteien prallen statisch aufeinander, und der vom Sender eingeladene »betroffene« Bürger hört zu und hofft vergebens, dass sein Problem beseitigt wird. Politik ist das komplizierte, langwierige Bohren harter Bretter und damit ein Prozess, der mit dem flüchtigen Medium Fernsehen eigentlich unvereinbar ist. Deshalb können Talkshows, in denen Themen teilweise fahrlässig vereinfacht werden, nie die Realität abbilden. Dabei gibt es lohnende Alternativen zu politischen Talkshows: Dokumentationen und Reportagen, die die Sorgen und Nöte der Menschen konkret schildern, lassen Politik lebendig werden. Hintergrundberichte aus der Wirtschaft erklären, was mit dem Euro, unserem Geld, passiert und sind Aufklärung im besten Sinne. Fazit: bitte mehr Dokumentationen und weniger Talkshows. Den wenigsten Zuschauern würde dann wirklich etwas fehlen.
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