Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thyssen-Krupp
Bielefeld (ots)
Gerhard Cromme ist ein schillernder Manager. Hochgewachsen, braungebrannt, bestens vernetzt, Aufsichtsratschef von gleich zwei deutschen Traditionskonzernen: Siemens und Thyssen-Krupp. Zudem Mitglied in den Aufsichtsräten von Allianz, Lufthansa, Eon, Axel Springer, BNP Paribas und dem Energieversorger Suez. Cromme ist wohl das, was man einen Strippenzieher nennt. Die Fusion von Krupp mit dem viel größeren Thyssen im Jahr 1999 ist sein Werk. Doch nun steht Thyssen-Krupp am Abgrund. Milliardenverluste aufgrund von Fehlinvestitionen in Übersee stürzen den Stahlriesen in die Krise. Das allein wäre schon bitter genug. Thyssen-Krupp hat sich aber außerdem der Preisabsprachen bei Bahnschienen, Aufzügen und Rolltreppen schuldig gemacht. Hier drohen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe. Der Konzern steckt tief im Schlamassel. So tief, dass Cromme gemeinsam mit Konzernchef Heinrich Hiesinger, den er vor zwei Jahren von Siemens geholt hatte, den halben Vorstand vor die Tür setzte. Cromme tritt die Flucht nach vorn an. Auf die drei geschassten Manager soll alles abgewälzt werden, was bei dem Essener Konzern schieflief. Er will nach außen - an Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre - signalisieren: Hier wird aufgeräumt! Und er scheint der richtige Mann zu sein. Schon im Siemens-Korruptionsskandal hatte er als Chefaufseher dafür gesorgt, dass die damaligen Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld gehen mussten. Und doch sind Zweifel an Crommes Saubermann-Image angebracht. Hätte nicht gerade er frühzeitig die Reißleine ziehen müssen? Schließlich saß er bei Thyssen-Krupp im Strategie-, Investitions- und Finanzausschuss. Musste er nicht schon vor Jahren als Aufsichtsratschef den Vorständen kritisch auf die Finger schauen? Ist das nicht seine Rolle? Oder hat er die milliardenschweren Investitionen in Brasilien und Alabama einfach durchgewunken? Ja, Cromme muss eigentlich über alles informiert gewesen sein! Es klingt wenig glaubwürdig, wenn er sich damit verteidigt, er sei »belogen und betrogen« worden. Natürlich mag es Aufsichtsratsvorsitzende geben, die hintergangen werden. Doch gilt das auch für einen so erfahrenen und gewieften Manager wie den 69-Jährigen? Zweifel sind angebracht. Heerscharen von Juristen werden dieses Thema in den nächsten Wochen aufarbeiten. Auch in einem weiteren Punkt trägt Cromme nicht gerade dazu bei, Vertrauen zu schaffen. Als Leiter der Regierungskommission für gute Unternehmensführung (Corporate Governance) sorgte er dafür, dass ein Ex-Vorstandschef nicht direkt an die Spitze des Aufsichtsrates rücken durfte. Eine Regel, die er selbst nicht einhielt. Das bringt ihn ins Zwielicht. Cromme sollte Konsequenzen aus den Pleiten und Pannen ziehen, die unter seiner Aufsicht passierten und selbst den Weg für einen echten personellen Neuanfang freimachen.
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