Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu steigenden Preisen für Ackerland
Bielefeld (ots)
»Na und?« heißt es, wenn in China Bauern entschädigungslos ihr Land verlieren, weil dort eine Autofabrik gebaut werden soll. »Na und?« heißt es auch, wenn in Bangladesch Pachtland von Reisbauern geflutet wird, weil Großgrundbesitzer dort lieber Garnelen für den Export züchten. »Na und?« heißt es schließlich, wenn im Kongo großflächig Land zur Gewinnung von Palmöl umgemünzt wird. Warum soll uns das kümmern? Ist doch Tausende von Kilometern entfernt . . . Was aber, wenn die Lebensmittelversorgung im eigenen Land berührt ist? Dass Äcker plötzlich wieder eine Rendite abwerfen, von der Generationen von Landwirten nur träumen konnten, hat sich unter denen schnell herumgesprochen, die immer Ausschau nach profitablen Anlagen halten. Bislang sehen die Verbände allerdings noch kein Problem in dem Ankauf landwirtschaftlicher Flächen durch Nichtagrarier. Die rasante Erhöhung der Kaufpreise und Pachten kommt in Deutschland derzeit durch eine andere Tür. Diese spaltet die Landwirtschaft selbst: Unter den Profiteuren sind nämlich nicht wenige Bauern - solche, die früh in Biogas investiert haben und weiter aus der hohen Förderung Nutzen ziehen. Auch der eine oder andere Rentner, der seinen Hof stillgelegt hat und nun von den Pachteinnahmen lebt, wird versuchen, seine Einnahmen zu erhöhen. Und schließlich profitieren auch die Landwirte, die ihre Betriebe technisch soweit modernisiert haben, dass es auf der Kostenseite keine große Rolle spielt, wenn sie ihren ohnehin großen Tierbestand noch optimieren - also vergrößern. Beim Legehennenskandal ist es gerade wieder Thema: Tiere brauchen Fläche. Die Flächen aber sind in Deutschland, wo es keine riesigen Wälder und Sümpfe mehr gibt, nicht mehr ausdehnbar. Und ein zweites Stockwerk auf vorhandenem Boden nur für den Getreideanbau wird es nicht geben. Im Gegenteil gehen der Landwirtschaft jährlich immer noch viele Flächen verloren. Zum Beispiel an den Straßenbau. An neue Wohn- und Gewerbegebiete oder Freizeiteinrichtungen. An den Naturschutz. Man könnte abwarten, bis die freie Marktwirtschaft das Problem löst. Die Gefahr, dass die Lebensmittelversorgung in Deutschland zusammenbricht, ist denkbar gering. Noch erwirtschaftet die deutsche Landwirtschaft jeden fünften Euro im Export. Aber natürlich werden die Lebensmittelpreise steigen. Für einige Bauern wird es nicht genug sein - sie werden ihre Höfe schließen müssen. Der ländliche Raum wird noch mehr ausbluten. »Na und?« Wenn uns die Zukunft des Landes nicht gleichgültig ist, dann müssen wir die Bauern unterstützen und zwar am besten dadurch, dass wir regional erzeugte Produkte kaufen. Aufgabe der Politik könnte es sein, den Ankauf landwirtschaftlich genutzter Flächen durch Nichtagrarier zu begrenzen. Das bisher auf Flächen ab zwei Hektar begrenzte Vorkaufsrecht ist dabei noch der einfachste Hebel.
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