Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Mehdorn
Bielefeld (ots)
Nun soll's also ein fast 71-Jähriger richten! Hartmut Mehdorn, Ex-Bahnchef und Ex-Air-Berlin-Vorstand, wird neuer Geschäftsführer des unvollendeten Chaosflughafens Berlin. Die Nachricht hat viele überrascht. In der Tat muss man sich fragen: Gibt es keine jüngeren Manager, dem die Aufgabe, einen halb fertigen Flughafen zügig zu Ende zu bauen, zuzutrauen wäre? Offenbar nicht. Nach der Absage des früheren Chefs des Frankfurter Flughafens, Wilhelm Bender, stand der Aufsichtsrat um Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unter Druck, rasch einen neuen Kandidaten zu präsentieren. Ziel und Botschaft sind klar: Es soll nicht noch mehr Zeit verplempert werden. Dabei gleicht der Bau des Hauptstadtflughafens einem Himmelfahrtskommando. Die Kosten sind seit Baubeginn im Jahr 2006 von zwei auf zuletzt 4,3 Milliarden Euro geklettert. Es gibt jede Menge Planungsfehler, vor allem bei der Brandschutzanlage. Zuletzt wurden 20000 Baumängel gezählt. Hinzu kommen die immer wieder nachträglich beschlossenen Änderungswünsche seitens der Volksvertreter. Das hat die Kosten zusätzlich in die Höhe getrieben. So musste der Eröffnungstermin der Hauptstadtflughafens BER bereits viermal verschoben werden. Wie bereits bei den völlig aus dem Ruder gelaufenen Milliardenprojekten Stuttgart 21 und Elbphilharmonie Hamburg, so zeigt auch das Projekt Hauptstadtflughafen Berlin, dass die öffentliche Hand nicht in der Lage ist, den Kostenrahmen auch nur halbwegs einzuhalten. Die Politik hat sich bis auf die Knochen blamiert. Und nun kommt Mehdorn. Ist er der Richtige? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Die einen verweisen auf Sanierungserfolge bei der Deutschen Bahn. Immerhin hat er den Staatskonzern flott gemacht: aus operativ 1,5 Milliarden Euro Verlust wurden 2,5 Milliarden Euro Gewinn. Dafür, so die berechtigte Kritik, hat er jedoch Investitionen in Züge und Gleise vernachlässigt. Doch Mehdorn muss keine schlechte Wahl sein. Als ehemaliger Chef der Fluggesellschaft Air Berlin und Chef von Airbus Deutschland kennt er die Branche. Er hat Kontakte, gilt als gut vernetzt. Vor allem aber ist er ein Mann mit klarer Kante. Mehdorn verbiegt sich nicht gern vor Politikern. Er scheut sich nicht davor anzuecken. Vielleicht ist es genau das, was die Flughafengesellschaft jetzt braucht: Einen Manager, der das Projekt BER mit straffer Hand führt. Mehdorn selbst weiß um seine Qualitäten. »Ich bin bekannt dafür, dass ich einen geraden Weg gehe«, sagte er am Freitag. Mehdorn stellt sich einer großen Herausforderungen. Um Geld dürfte es ihm nicht gehen. Zu verlieren hat er ebenfalls nichts. In einem Alter, in dem die meisten Bürger längst ihren Ruhestand genießen, nimmt er sich vor, ein Prestigeprojekt zu retten. Ob das gelingt? Aus Sicht der Steuerzahler kann man ihm das nur wünschen. Ein weiteres Milliardengrab können wir nicht gebrauchen. Im Oktober 2014 muss BER fertig sein.
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