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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Unicef-Kinderstudie

Bielefeld (ots)

Begütert, gebildet, bestens versorgt - aber unglücklich. Glaubt man der Unicef-Studie zur Lage der Kinder in Industrieländern, ist es um den Nachwuchs in Deutschland nicht gut bestellt. In keinem anderen Land ist die Kluft zwischen materieller Versorgung und der subjektiv empfundenen Zufriedenheit mit dem eigenen Leben so groß. Das mag daran liegen, dass in Deutschland die Kinder mit der im Angelsächsischen sprichwörtlichen »german angst«, dem typisch deutschen Weltschmerz, groß werden. Vielleicht wurde bei Erhebung der Daten hierzulande auch einfach nur kritischer nachgefragt. Aber der Tenor der Studie kann dennoch nicht wirklich überraschen. Die Hürden auf dem Weg ins Erwachsenenleben sind in den vergangenen Jahren spürbar höher geworden. Dabei war es ironischerweise der Pisa-Schock vor zwölf Jahren, der einen Wandel angestoßen hat, dessen Folgen sich offenbar nun in der Unicef-Studie niederschlagen. Was damals folgte, war alles gut gemeint: Das Bildungssystem sollte effektiver, die Schwachen besser gefördert, die Starken mehr gefordert werden. Unter dem Strich hat sich das deutsche Bildungssystem seitdem auch deutlich verbessert, attestiert Unicef. Vieles war aber nicht gut gemacht: Allein das markante Kürzel G8, das Abitur nach acht statt neun Jahren, führt bei jeder Erwähnung im Gespräch unter betroffenen Eltern zum kollektiven Aufstöhnen. Es ist das Paradebeispiel für das konsequente Trimmen der Bildung auf schnellstmögliche ökonomische Verwertbarkeit. Der Weg zum Job wird kürzer, die Schultage länger. Dabei bleibt etwas auf der Strecke: Zeit für den Sportverein, Zeit für die Musikschule, Zeit zum Spielen, Zeit für sich selbst, Zeit zum unbefangenen Kindsein. Neben den zunächst unveränderbaren Rahmenbedingungen ist es häufig auch der Druck der Eltern, der Kinder einengt. Die Angst vor dem sozialen Abstieg schwingt oft mit. Fremdsprachenunterricht im Kindergartenalter wird gern gesehen, Nachhilfe bis zum Abwinken einem Schulwechsel vorgezogen. Und so prägt die Fixierung auf ein später erfolgreiches Berufsleben nicht selten die gesamte Kindheit. Wenn dann noch Probleme mit Freunden oder in der Familie hinzukommen, zeitigt das halt solche Ergebnisse wie in der vorliegenden Unicef-Studie. Dabei weist diese auch auf viele positive Entwicklungen hin: 78 Prozent schätzen ihre Gleichaltrigen als freundlich und hilfsbereit ein, ein im internationalen Vergleich sehr guter Wert. Immer weniger Jugendliche rauchen, fast alle Vierjährigen besuchen einen Kindergarten, nahezu alle Jugendlichen machen eine schulische oder berufliche Ausbildung - davon können südeuropäische Länder nur träumen. Dennoch: Leistungsfähigkeit ist nicht alles. Wenn Politik, Schule, Eltern etwas Druck vom Kessel nähmen, hätten wir alle mehr davon - vor allem unsere Kinder.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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