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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NSU-Prozess

Bielefeld (ots)

Es geht um zwei Sprengstoffanschläge, mehrere Banküberfälle und mindestens zehn Morde. Es geht um mehr als 13 Jahre Pleiten, Pech und Pannen bei den Ermittlungen dieser Taten, hinter denen vermutlich das Terrornetzwerk »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) steckt. Doch bevor sich das verhandelnde Oberlandesgericht (OLG) München darum kümmern kann, muss es die Vergabe der Presseplätze vernünftig regeln. Die Reihe der Peinlichkeiten setzt sich fort - der Prozessstart muss um drei Wochen verschoben werden. Das ist das Eingeständnis des Gerichts, dass bei allem Bemühen, bloß keine Fehler zu machen, zu viel schief gelaufen ist. Von Anfang an war klar, dass der Saal 101 des Oberlandesgerichts München dem Ansturm der Öffentlichkeit - Bürger und Medien - nicht gewachsen sein würde. Aber sowohl der Gerichtspräsident als auch Manfred Götzl als Vorsitzender Richter haben alle Bedenken energisch abgebügelt. Dafür muss der Vorsitzende Richter sich und seine Entscheidungen ständig verteidigen. Erst das Bundesverfassungsgericht rief ihn mit seiner Eilentscheidung vom Freitag zur Ordnung. Ausländische Medien haben sehr wohl ein besonderes Interesse an diesem Prozess. Acht der zehn Mordopfer, für die das NSU-Terrornetzwerk verantwortlich gemacht wird, stammen aus der Türkei. Warum tut sich das Gericht so schwer, diesen Umstand zu würdigen? Stattdessen müssen die Münchener Richter bei einer schnellen Umsetzung des Karlsruher Beschlusses kapitulieren. Sowohl Journalisten als auch Juristen hatten versucht, dem Gericht Brücken zu bauen. Keinen der Vorschläge wollte Götzl annehmen. Dabei ist auch klar, dass ein neues Vergabeverfahren zu neuen Ungerechtigkeiten führen kann. Fest steht auch, dass das öffentliche Interesse nachlassen wird. Nicht an jedem Verhandlungstag werden im Gerichtssaal alle Stühle besetzt sein. Denn eines ist schon jetzt klar: Das Gericht kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. 71 Nebenkläger wollen wissen, warum ihre Angehörigen nicht mehr leben, warum Polizei und Verfassungsschutz bei der Aufklärung versagt haben, ob die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ein Wort der Reue findet. Das Oberlandesgericht kann Ermittlungspannen nicht beseitigen oder gar Wiedergutmachung leisten. Die Richter können nicht darüber urteilen, wer für die bisherigen Fehler verantwortlich ist oder wie sie künftig vermieden werden können. Das OLG ist eben kein Untersuchungsausschuss. Im Gericht geht es vornehmlich um die Wahrheitsfindung, um eine mögliche Schuld und erst dann um eine gerechte Strafe. Hier stehen die fünf Angeklagten und nicht die Opfer des Neonazi-Terrors im Mittelpunkt - so sehr sich die Angehörigen verständlicherweise etwas anderes wünschen mögen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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