Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Zypernhilfe
Bielefeld (ots)
Der Bundestag hat mit breiter Mehrheit der Zypernhilfe zugestimmt - und einen weiteren Wechsel auf Europas ungewisse Zukunft ausgestellt. Dabei kann nichts und niemand die nur ihrem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten daran hindern, auch einmal Nein zu sagen. Mehr noch: Gemäß dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM gibt es nur dann Finanzhilfen, wenn die Krise eines Landes auf andere überzuspringen droht. Artikel 12 des ESM-Vertrags sagt in seltener Klarheit, die Hilfe müsse »zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar« sein. Die drohende Pleite eines Zwergstaates reicht zur Begründung nicht aus. Und das unterscheidet diese Abstimmung von Fällen wie Irland, Griechenland und Portugal. Längst droht die Entwicklung zu einer Systematik zu werden, andere sagen: aus dem Ruder zu laufen. Zypern also die kalte Schulter zeigen? Diesmal ja, denn der Vertrag über die Arbeitsweise der EU bewertet die Insolvenz eines Mitglieds als dessen ureigenes Problem. Der in Berlin von vielen Fraktionen geschätzte Staatsrechtler Dietrich Murswiek bewertet in der »Süddeutschen Zeitung« diese Vertragspassage noch weitgehender. Hilfe sei im Sinne der Ultima-Ratio-Konzeption nur erlaubt, wenn die Insolvenz die Finanzstabilität einer größeren Zahl von Mitgliedstaaten erschüttern würde. Es genüge eben nicht, dass neben dem primär betroffenen Zypern auch Griechenland beschädigt zu werden drohe. Die Eigenschaft »unabdingbar« sei sehr viel strenger als das übliche »erforderlich«. Hart, aber zweifellos richtig: Verlöre Zypern den Euro, Resteuropa würde das kaum merken. Es gibt nur einen Grund für die breite Zustimmung zur Zypernhilfe im Bundestag: Die Regierungsparteien - mit Ausnahme der 20 Abweichler - und weite Teile von SPD und Grünen haben eine politische Entscheidung getroffen und die Rechtsfrage einfach ausgeblendet. Sie wollten um jeden Preis helfen, statt ihren eigenen Verträgen zu folgen. »Wir lassen kein Euro-Land zurück«, soll das Signal lauten. Gut gemeint, aber verheerend in der Wirkung. Denn zum wiederholten Mal lernen Schuldensünder: schlabbern macht nichts. Außerdem hat sich das Parlament entgegen den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts einmal mehr in eine Friss-oder-stirb-Situation drängen lassen. Auch das musste nicht sein. Die Zypern-Entscheidung ist Wasser auf die Mühlen der »Alternative für Deutschland«. Bis zum 22. September weiß niemand, wie gefährlich die neue Partei wirklich ist. Aber jede vermeintliche Rettung eines Euro-Landes stärkt nicht allein das Ansehen Angela Merkels über das Unionslager hinaus. Zugleich wird eine zwar kleinere, aber gleichwohl wachsende Zahl von Euro-Gegnern und bisherigen Nichtwählern in die noch außerparlamentarische Opposition getrieben.
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