Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Debatte um die Frauenquote
Bielefeld (ots)
Angela Merkel ist nicht unschlagbar. Das hat diese Woche bewiesen. Und es passt zu den Merkwürdigkeiten dieser Legislaturperiode, dass es ausgerechnet eine Parteifreundin war, die der Kanzlerin die größte Schlappe seit langem zugefügt hat. Mit ihrer Sturheit in der Debatte um die Frauenquote hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen - in einer Mischung aus Genialität und Größenwahn - der CDU-Vorsitzenden eine Volte abverlangt, deren Konsequenzen noch gar nicht ganz absehbar sind. Doch geht es um nicht weniger als die Arithmetik der Macht in der Union. Zwar mag die Kanzlerin fantastische Sympathiewerte haben und ihren SPD-Herausforderer Peer Steinbrück derzeit nicht nur in dieser Disziplin um Längen schlagen, doch in der Union ist die Machtfülle Merkels keineswegs so groß wie oft angenommen. Gerne und länger schon wird die CDU ja als »ein Nichts ohne Frau Merkel« beschrieben, doch diese Woche hat eindrucksvoll gezeigt: Angela Merkel ist nicht die CDU. Im Gegenteil: Das eigene Lager ist Merkels größtes Problem. Nach Philipp Röslers Coup bei der Nominierung von Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten und Horst Seehofers erfolgreichem Erpressungsversuch beim Betreuungsgeld war nun gar ein Frontalangriff einer CDU-Frau im Bundesministerrang von Erfolg gekrönt. Nicht auszudenken, wo die Koalition heute stünde, wenn von der Leyen ihre Drohung wahrgemacht und im Bundestag gegen ihre eigene Fraktion gestimmt hätte. Wer die Arbeitsministerin nun selbst als Verliererin sieht, weil sie am Ende doch gegen ihre eigene Überzeugung entschieden hat, irrt gewaltig. In Wahrheit hat sie einen Machtkampf gewonnen und dabei Angela Merkel düpiert, die einen neuerlichen Kursschwenk offensichtlich nicht wollte oder aber ihn mindestens ihrer Partei nicht zumuten wollte. So wird für Ursula von der Leyen zum Sieg, was wie eine Niederlage aussieht. Angela Merkel hingegen erlebt eine Pleite im Erfolg. Dabei ist die Frauenquote in den Aufsichtsräten der Dax-Unternehmen sicher nicht das Projekt, an dem Deutschlands Zukunft entschieden wird. Frauenförderung braucht schon mehr. Doch ging es hier um eine hochsymbolische Handlung, zu zeigen, welche Haltung man einnimmt. Und weil für Angela Merkel ihre Haltung immer nur eines von vielen Entscheidungskriterien ist, konnte sich die Arbeitsministerin perfekt als politischer Gegenentwurf stilisieren. Am Ende hat von der Leyen eine Entscheidung erzwungen, die Angela Merkel so nicht vorgesehen hatte. Wer also hat nun geführt? Noch ist Angela Merkel in der Union unangefochten, doch sind die Fliehkräfte immens. In ihrem Bemühen, die CDU zu reformieren, ist sie manchen immer noch zu langsam, aber vielen anderen schon lange viel zu schnell. Ihr größtes Problem jedoch: Merkels politisches Ich verschwindet allzu oft in diesem Dilemma. Das hat Ursula von der Leyen nun auf brutale Weise enttarnt.
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