Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Syrien
Bielefeld (ots)
Die Entsendung russischer Kriegsschiffe ins Mittelmeer und die Lieferung technisch ausgereifter Raketen an Damaskus haben eine diplomatische Lösung für Syrien in weite Ferne rücken lassen. Moskau ermuntert seinen Schützling Bashar al-Assad, an seinem unnachgiebigen Kurs festzuhalten. Prompt wies dieser in einem Interview jeden Versuch der »äußeren Einmischung« zurück. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die für Juni angestrebte Syrien-Konferenz in Genf nun gar nicht erst stattfindet. Dies ist ein Rückschlag für die Strategie Barack Obamas, einen politischen Ausweg aus dem Bürgerkrieg zu finden. Dessen Kritiker sehen in der Brüskierung durch die Russen ein weiteres Beispiel für die angebliche Naivität und Führungsschwäche des Präsidenten. Aus Sicht der Küchentisch-Strategen erscheint alles ganz einfach. Die USA nutzen ihre Militärmacht, die Luftwaffe der Syrer auszuschalten. Sei es durch gezielte Schläge auf Startbahnen, der Errichtung einer Flugverbotszone oder Sabotageakten. Gleichzeitig erhielten »die« Rebellen schwere Geschütze und ausreichend Munition. Der Sturz des Diktators wäre dann nur eine Frage der Zeit. Leider erweist sich die Realität des Konflikts als weitaus komplexer. Es fängt damit an, dass es in Syrien keine klare Front zwischen Gut und Böse gibt. Vielmehr handelt es sich um einen ethnisch-religiös motivierten Bürgerkrieg zwischen Bevölkerungsgruppen, die alle nicht viel mit Demokratie und Menschenrechten am Hut haben. Schon gar nicht die El-Kaida-nahen Kräfte der Al-Nusrah-Front, die bei den Rebellen den Ton angeben. Weder die USA noch Israel haben ein Interesse daran, diesen unberechenbaren Extremisten zur Macht zu verhelfen. Umgekehrt gilt es, eine Ausweitung des begrenzten Bürgerkriegs zu einem regionalen Konflikt zu vermeiden. Bereits heute kämpfen schiitische Hisbollah-Einheiten aus dem Libanon auf Seiten des Assad-Regimes, während Iran und Russland den Diktator mit Waffen versorgen. Die Rebellen erhalten ihrerseits Unterstützung von den Saudis und aus Katar via der Türkei und Jordanien. Zwei Länder, die Hunderttausende Flüchtlingen aus Syrien aufgenommen haben. Eine ganz andere Dimension erhielte der Konflikt, wenn Israel hineingezogen würde. Syrien droht bei einem weiteren Angriff der israelischen Luftwaffe auf mutmaßliche Waffenlieferungen an die Hisbollah mit Vergeltung. Angeblich stehen auf Tel Aviv gerichtete Raketen abschussbereit in den Startlöchern. Unter den vielen schlechten Alternativen bleibt eine noch so unwahrscheinliche politische Verhandlungslösung für Syrien zurzeit die beste Option. Das Desaster der Supermacht in Irak hat den Realpolitiker Obama gelehrt, was die größere Illusion ist: Eine militärisch durchgesetzte »Pax Americana«.
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