Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Familienpolitik
Bielefeld (ots)
Werdende Mütter umgibt in der Regel ungeteilte Vorfreude. Daumendrücken, Respekt und Empathie sind ihnen sicher. Wenn sie allerdings von beruflichen Plänen nach der Geburt berichten, gilt: Wie sie es machen, machen sie es verkehrt. Pausiert eine Mutter kurz, muss sie sich rechtfertigen, warum sie ein so kleines Kind in die Krippe gibt. Will sie länger oder ganz aussteigen, muss sie sich anhören, sie gefährde ihre berufliche Zukunft und ihre Unabhängigkeit. Bei diesem Dilemma wundert es nicht, dass zahlreiche Frauen verunsichert sind. Daran ändert keine Familienleistung der Welt etwas. Wandel beginnt in den Köpfen. Es ist höchste Zeit, den Druck auf Eltern zu minimieren - nicht zuletzt den selbst auferlegten. Karriere, Kind, Beziehung: Alles soll perfekt sein. Dabei scheitern viele junge Menschen an unerfüllbaren Erwartungen. Das Thema Familie benötigt mehr Gelassenheit. Dazu gehört ebenfalls, dass werdenden Eltern nicht permanent erzählt wird, wie teuer Kinder sind. Das stimmt zwar, doch früher drückte der Geldbeutel auch - oft stärker als heute. Dennoch gehörten drei Kinder zum Alltag. Jetzt ist spätestens beim dritten Kind zu hören: »Das willst Du Dir antun?« Es gibt zu denken, dass das Mütterbild von »Latte-macchiato-Mami« über »Glucke« bis hin zu »Rabenmutter« allerlei Verunglimpfungen kennt. Deutschland braucht eine neue Familienphilosophie, keine neuen Familienleistungen. Das Versprechen, Kindergeld und Freibeträge anzuheben, klingt gut. Mehr Nachwuchs bringt das nicht. Ganz davon abgesehen, dass die CDU im Wahlkampf lieber verschweigt, wie hoch das Kindergeld künftig sein wird und wie die Freibetragserhöhung finanziert werden soll. Familien besserzustellen, ist der richtige Gedanke. Das »faktische Familiensplitting« der Union ist aber inkonsequent. Es entspricht nicht dem gelobten französischen Modell, bei dem jedes weitere Kind für eine viel stärkere Steuerentlastung sorgt als in Deutschland. Nicht nur das hat Frankreich uns voraus. Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der Eltern dort Kinder erziehen. Weder Heiligenschein noch Damoklesschwert schwebt über ihnen. Die Wirkung unübersichtlicher Familienleistungen ist begrenzt. Die Macht der Gesellschaft nicht. Es darf nicht nur über Vereinbarkeit von Familie und Beruf geredet werden. Entscheidungen von Müttern müssen getragen werden. Von allen: Familien, Arbeitgebern, Freunden. Dafür müssen die einen Chefs lernen, dass manche Frauen mehr Zeit für ihr Kind haben und nicht kurz nach der Geburt am Schreibtisch sitzen wollen. Andere Chefs müssen einsehen, dass Betreuung kein Teufelswerk und schnelle, meist stundenreduzierte Rückkehr in den Job nicht per se schlecht ist. Wenn Teilzeit dann endlich Normalität wird, ist ein Meilenstein geschafft. Die Chance stiege, dass mehr junge Menschen Kinder nicht als Belastung sehen, sondern als das, was sie sind: eine Bereicherung ihres Lebens.
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