Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt(Bielefeld) zur US-Geheimdienst-Affäre:
Bielefeld (ots)
Erst der Gefreite Manning, dann der Geheimdienst-Vertragsarbeiter Snowden und jetzt vermutlich auch Obamas Lieblings-General Cartwright - bei der Nationalen Sicherheit tropft es an allen Stellen. Es scheint, als könnten die USA selbst die brisantesten Staatsgeheimnisse nicht unter Verschluss halten. Entsprechend drakonisch reagiert Barack Obama. Nie zuvor ging eine Regierung so entschieden gegen Informanten vor, wie unter dem US-Präsidenten, der mit dem Versprechen antrat, für mehr Transparenz zu sorgen. Mit Cartwright wären es acht Personen, denen nach dem Spionage-Abwehrgesetz Gefängnis droht. Mehr als in allen früheren US-Regierungen zusammen. Der Kern des Problems geht auf den Kulturwandel nach dem 11. September 2001 zurück. Der Untersuchungsbericht zu den Terroranschlägen hatte den fehlenden Austausch zwischen FBI, CIA, NSA und anderen Institutionen der Nationalen Sicherheit als Schwachstelle ausgemacht. Seitdem hat die Regierung ihre Datensysteme ausgebaut, vernetzt und den Zugriff darauf erleichtert. Plötzlich gelangten Hunderttausende Staatsbedienstete, kleine Soldaten, Vertragsarbeiter des Pentagon und der Geheimdienste mit ein paar Klicks in den Besitz vertraulicher und zum Teil streng geheimer Informationen. Der Gefreite Bradley Manning etwa brauchte keine großen Computer-Fertigkeiten, um Diplomaten-Kabel und Dokumente aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg auf seine Lady-Gaga-CDs zu laden. Edward Snowden reichte die Expertise eines Netzwerk-Administrators, ungehinderten Zugang zum Allerheiligsten des elektronischen Abhördienstes zu bekommen. Dass der Geheimdienst einen 29-jährigen Leiharbeiter unbeaufsichtigt schalten und walten ließ, ist mit fahrlässig noch freundlich umschrieben. Falls sich bestätigt, dass die damalige Nummer 2 der US-Streitkräfte, James Cartwright, der Presse Informationen über den »Stuxnet«-Angriff auf das iranische Atomprogramm gesteckt hat, wäre dies das Ausrufezeichen hinter dem fehlenden Bewusstsein im Umgang mit Staatsgeheimnissen. Obwohl in allen drei Fällen eine Anklage droht oder bereits erfolgt ist, müssen sie strikt auseinander gehalten werden. Manning zeigte nicht viel Fingerspitzengefühl, seine Infos ohne Vorauswahl an »Wikileaks« weiterzugeben. Snowden ging methodisch und überlegt vor. Bei Cartwright kommt als Motiv nur der Wunsch nach Anerkennung seiner Urheberschaft des Computerwurms in den Sinn. Die ungewollte Transparenz ist problematisch für die US-Regierung, rechtfertigt aber nicht die Einschüchterung von Informanten und Medien. Demokratische Öffentlichkeit kann ohne den Schutz von Quellen nicht funktionieren. Auf den Prüfstand gehört der mäandernde Sicherheitsapparat mit seinen Geheimprogrammen und ausufernden Datensammlungen, die sich der demokratischen Kontrolle entziehen.
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