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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Euro-Einführung in Lettland

Bielefeld (ots)

Wenn die Familie Zuwachs bekommt, ist das normalerweise ein Grund zur Freude. Schließlich sind neue Mitglieder ein Zeichen, dass man an die Zukunft glaubt. Umgekehrt gilt: Wenn Mitglieder die Familie verlassen, birgt das die Gefahr, dass der Verband bald ganz auseinanderfällt. Zuletzt wurde vor allem darüber diskutiert, ob es nicht für alle Beteiligten das Beste wäre, wenn etwa Griechenland oder Zypern die Familie der Euro-Staaten verließen. Vor diesem Hintergrund kommt die Neuaufnahme Lettlands zum 1. Januar 2014 wie gerufen, um der Welt zu zeigen, dass der Euro eine wachsende und keine schwindende Währungsgemeinschaft ist. Klar, der ganz große Brüller ist der mittlere der drei kleinen baltischen Staaten nicht. Mit zwei Millionen Einwohnern ist Latvija, wie der Staat in der Landessprache heißt, gerade mal so groß wie beispielsweise Ostwestfalen-Lippe. Aber er kann einiges vorweisen: Lettland hat bewiesen, dass ein strikter Sparkurs zu wirtschaftlichem Wachstum führen kann. Rauschte das Bruttoinlandsprodukt im Krisenjahr 2009 noch mit 18 Prozent in den Keller, so stand es im vergangenen Jahr mit plus 5,6 Prozent wieder in Europa an der Spitze. Die Staatsverschuldung ist mit 40,7 statt der erlaubten 60 Prozent mehr als vorzeigbar. Mit der Forderung an Griechenland und andere, Lettland nachzueifern, reihte Finanzminister Andris Vilks den Musterschüler der Merkelschen Sparlehre fest in die nordeuropäische Staatenphalanx für einen stärkeren Euro ein. Dies stützt die Währung so lange, wie gleichzeitig die Bevölkerung die Regierung in Riga stützt. Dass nur knapp ein Viertel der Einwohner die Euro-Einführung begrüßt, verbietet jede Art von Euphorie. Zusätzlich darf nicht außer Acht bleiben, dass Lettland bei anderen Themen eine durchaus kontroverse Politik verfolgt. Dabei geht es vor allem um Steuerfragen. Ähnlich wie Zypern ist dem neuen Euro-Mitglied nämlich sehr daran gelegen, fremdes Kapital ins Land zu holen. Die russische Exklave Kaliningrad, das frühere Königsberg, ist nicht sehr weit entfernt. Ein langjähriges Aufenthaltsrecht in Lettland ist für vermögende Russen leicht zu bekommen und ermöglicht das Weiterreisen in andere EU-Staaten. Zugleich ist das streng geschützte lettische Bankgeheimnis eine Einladung für Steuerhinterzieher, in der kleinen Republik ihr Geld anzulegen und zu waschen. Darüber hinaus lockt Riga Unternehmen mit einem Steuersatz von 15 Prozent. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der EU beträgt er 23,5, in Deutschland inklusive Gewerbesteuer etwa 30 Prozent. Investoren sind zudem noch privilegiert. Der Reiz, in Lettland eine Holding zu gründen und Gewinne dorthin zu verschieben, ist groß. Lettland steht hier in einer Reihe mit Irland, Luxemburg und Malta. So groß die Freude über den Zuwachs in der Euro-Familie also sein mag: Einige Aufgaben sind dadurch noch schwerer zu lösen. Kleine Staaten, kleine Probleme: Diese Gleichung gilt schon lange nicht mehr.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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