Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Insolvenz der Baumarktkette Praktiker
Bielefeld (ots)
Jeder Heim- und Hobbyhandwerker weiß: Das beste Werkzeug nützt nichts, wenn die Bauanleitung fehlerhaft ist. »Zwanzig Prozent auf alles« taugt als Werbeslogan für einen Schlussverkauf. Als Dauereinrichtung hat er versagt. Dabei war der Werbespruch letztlich sogar erfolgreich. Fragt man eine Gruppe von Deutschen nach dem Namen des billigsten Baumarktes, wird die Mehrzahl ohne jede Überprüfung den Namen »Praktiker« nennen. Doch die Zeiten scheinen vorbei, als die Verbraucher nur dort einkaufen, wo sie glauben, die Waren seien am billigsten. Geiz war noch nie geil, sondern dumm und ziemlich kurzsichtig. Wer billig unterwegs ist, kauft letztlich teuer. Denn wenn die Ware nicht hält, was sie verspricht, ist jeder Euro zu viel. Hinzu kommt die Erfahrung: einmal billig, immer billig. Versuche von Praktiker, mit der Werbung zeitweise auszusetzen, mussten fehlschlagen. Kunden, die ihre Bohrmaschinen oder den Schraubendreher nicht sofort brauchten, schoben ihren Einkauf einfach bis zu dem Tag auf, da der Billigheimer unter den Baumärkten wieder »20 Prozent auf alles außer Tiernahrung« versprechen würde. Bei Praktiker konnten sie sicher sein, dass dieser Tag kommt. In der Zwischenzeit aber mussten die Mitarbeiter weiter bezahlt werden. Die Baumarktbranche weist Besonderheiten auf. Der Konkurrenzdruck ist extrem groß. Nicht selten hat der Heimwerker im Umkreis von wenigen Kilometern um sein Haus die Wahl zwischen drei, vier oder gar fünf Do-it-yourself-Märkten. Hinter einigen Ketten (Obi, Toom) stehen Konzerne wie Tengelmann oder Rewe. Die Kette der Marktkauf-Baumärkte, die früher von Bielefeld aus geführt wurde, ist bereits Geschichte. Praktiker selbst war einmal Teil der Metro-Gruppe, zu der auch Mediamarkt und Saturn gehören. Um zusätzlichen Umsatz zu erwirtschaften, weichen die Baumärkte auf andere Sortimente wie zum Beispiel Artikel für den Garten oder auf Spielwaren aus. Dass dies keinen Erfolg garantiert, zeigt wiederum das Beispiel Praktiker: Das schlechte Wetter hat in diesem Jahr das Gartengeschäft verwässert und die Probleme für das Unternehmen noch verschärft. Heimwerker sind besondere Kunden. Die Neulinge unter ihnen wollen beraten werden. Kaufen sie das Falsche, geben sie gern dem Baumarkt die Schuld. Aber auch die Erfahrenen suchen das Gespräch, schätzen den Expertenrat. Bei der Ware achten sie auf Qualität. Material und Werkzeug müssen den Preis wert sein. Zwar wird, wenn es Markenqualität anderswo deutlich billiger gibt, auch schon mal die Adresse gewechselt. Doch das Geld, das sie dabei in der Kasse lassen, ist zu wenig, um eine Kette wie Praktiker am Leben zu erhalten. Mit der zugekauften Tochterkette Max Bahr verfolgt der Konzern eine andere Strategie - und hat damit Erfolg. Im Interesse der Mitarbeiter und Kunden ist zu hoffen, dass die Insolvenz von Praktiker die Unternehmensgruppe nicht zu sehr beschädigt.
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