Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Bielefeld (ots)
Eine soziologische Analyse der bundesdeutschen Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der Rechte von Frauen sollte nicht alleinige Grundlage für eine theologische Neupositionierung sein. Das weiß der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, jetzt auch. »Das neue Familienpapier liest sich wie ein Kompendium des Linksprotestantismus der frühen siebziger Jahre«, schrieb die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Vorgehalten werden ihm »Geringschätzung Luthers und der Bekenntnisschriften« und eine »auffällige Hochschätzung sozialistischer Politikmodelle« wie der »Familienpolitik der SED«. Wie hat es zu diesem kommunikativen Desaster für den Rat der EKD kommen können? Offenbar mangelte es Nikolaus Schneider in seinem Beraterkreis an Bremsern und Bedenkenträgern im besten Sinne. Die hätten den Sprung von der Beschreibung des Status quo des Zusammenlebens in Deutschland hin zum religiösen Leitbild abfedern können. Das überrascht, denn die Menschen mitzunehmen ist der evangelischen Kirche sonst doch so wichtig. Das Ohr speziell an der konservativen Basis hatte aber entweder niemand oder er kam im Abstimmungsprozess nicht genügend zu Wort. Dabei ist es wichtig, »Familien heute« zu diskutieren, wie das entsprechende Papier der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche heißt. Auch die westfälische Präses Annette Kurschus sagt: »Unser Begriff von Familie ist bislang sehr eng und festgelegt.« Alle Menschen, die nicht in der klassischen Form Vater-Mutter-Kinder zusammenlebten, fühlten sich dadurch mitunter genötigt, sich für ihre Lebensform zu rechtfertigen oder zu erklären. Eine »Sozialkontrolle« in Kirchengemeinden könne gar Menschen davon abhalten, ihre Kinder taufen zu lassen. Das weist auf die zwei schwer vereinbaren Grundpositionen hin, die die EKvW so umreißt: »Die Ehe ist demnach Gottes Stiftung und Mandat oder ein Gleichnis des von Gott mit den Menschen geschlossenen Bundes.« Die andere Position ist, darum muss man nicht herumreden, etwas ganz anderes: Sie »versucht Familie, Ehe und Partnerschaft vor allem von den Inhalten her zu verstehen. Sie geht von einer funktionalen Beschreibung von Familie aus. Die damit verbundenen Lebensformen kommen erst in zweiter Linie in den Blick.« Wie viel Sprengstoff dieser Unterschied birgt, ist den Verfassern des EKvW-Papiers klar: »Die Debatten um diese Verhältnisbestimmung von Ehe und Familie werden in der evangelischen Kirche mit großem Engagement und großer innerer Beteiligung geführt. Das Thema ist eng verbunden mit eigenen Glaubensvorstellungen und eigenem Glaubensleben und gerade deswegen nicht nur Privatsache.« Aus dieser Erkenntnis folgte der richtige Entschluss, sich in Westfalen für ein neues Leitbild bis Ende 2014 Zeit zu nehmen. Es eilt ja auch nicht.
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