Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Urteil gegen den »Wikileaks«-Informanten Bradley Manning
Bielefeld (ots)
Das Urteil gegen den »Wikileaks«-Informanten Bradley Manning ist eine Schlappe für die US-Regierung und ein Sieg für die Demokratie. Richterin Lind stellte sich tapfer dem Versuch in den Weg, an dem jungen Mann ein Exempel zu statuieren, das Geheimnisaufdecker im Bereich der nationalen Sicherheit abgeschreckt hätte. Wer vertuschte Massaker, Gefangenenmisshandlung und Folter aus Gewissensnot an die Presse weitergibt, braucht künftig nicht zu fürchten, wegen »Zusammenarbeit mit dem Feind« vor den Kadi gezerrt zu werden. Das Gericht setzte in Fort Meade einen Präzedenzfall, der die Regierung davon abbringen dürfte, den seit dem Bürgerkrieg nicht mehr bemühten Tatbestand zu behaupten. Schon gar nicht gegen »Whistleblower«. Die Richterin stellte die Kinderlogik der Staatsanwaltschaft vom Kopf auf die Füße. Demnach wird jemand nicht allein deshalb zum Kollaborateur, weil er vertrauliche Informationen zur Veröffentlichung weitergibt, die dann auch von Terroristen im Internet gelesen werden können. Im konkreten Fall deutete in der Kommunikation zwischen Manning und »Wikileaks« tatsächlich nichts darauf hin, dass der damals 20-jährige Geheimdienstanalyst die Absicht hatte, irgendeinem erklärten Feind der USA zu helfen. Es sei denn, die Geheimnisaufdecker-Plattform wird als Feind identifiziert. Die Regierung kann diesen Ausgang des Prozesses nicht anders denn als Niederlage werten. Schließlich hatte sie nur deshalb auf dem Verfahren bestanden, um den schmächtigen Gefreiten wegen »Zusammenarbeit mit dem Feind« ein Leben lang hinter Gitter zu schicken. Alles andere hatte der Angeklagte schon vorher eingestanden. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Das Urteil ist weder ein Freispruch noch ist Bradley Manning ein Held. Er hat ungeprüft und ohne jede weitere Kontrolle 700 000 Dokumente an »Wikileaks« weitergegeben und damit nicht nur Fehlverhalten aufgedeckt, sondern auch Menschenleben gefährdet. Dafür verdient er eine Strafe, die angesichts des Schuldspruchs in 19 anderen Anklagepunkten immer noch drakonisch ausfallen kann. Es bleibt zu hoffen, dass Richterin Lind bei der Festlegung der Strafe dasselbe Augenmaß beweist wie bei der Urteilsfindung. Auf dem fernen Moskauer Flughafen wird einer den Ausgang des Verfahrens ganz besonders aufmerksam verfolgen - liefert das Militärgericht dem NSA-Geheimnisaufdecker Edward Snowden doch einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet, sollte er jemals wieder seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzen. Snowdens Fall ist anders gelagert, weil er sehr viel gezielter Informationen an die Öffentlichkeit brachte als Manning. Vergleichbar sind aber die überzogenen Vorwürfe der Regierung. Erst an dem derzeit noch offenen Strafmaß wird der »Whistleblower« ablesen können, ob er in der Heimat auf einen fairen Prozess hoffen darf.
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