Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Spähaffäre
Bielefeld (ots)
Ronald Pofalla ist entweder ein dreister Lügner oder der Kaiser hat tatsächlich keine Kleider an. 417 Millionen Rechtsbrüche mit Verbindungsdaten aus Telefon- und Internetkontakten habe es hierzulande nie gegeben, behauptet der Kanzleramtsminister. Was der Beauftrage der Bundesregierung für die Geheimdienste gestern erst im Kontrollausschuss und dann vor der Öffentlichkeit sagte, bedeutet das Aus für einen Riesenpopanz im Sommerloch. Pofallas Aussagen waren sehr konkret und detailliert. Das macht sie überprüfbar und auf einen Schlag seriöser als vieles, was als unbewiesene Behauptungen seit Wochen Schlagzeilen macht. Pofalla weiß mehr, wenn er sagt, die BND-Auslandsaufklärung trüge dazu bei, dass pro Woche drei bis vier Anschläge auf Isaf-Truppen in Afghanistan vereitelt würden. Seit 2011 sollen dadurch auch 19 Anschläge auf deutsche Soldaten verhindert worden sein. Pofallas Vorvorgänger Frank-Walter Steinmeier steht blamiert da. Zu Zeiten von Gerhard Schröders Kanzleramtsminister wurde die Grundsatzentscheidung zur Zusammenarbeit von BND und National Security Agency (NSA) geschlossen. Das geschah nach Aktenlage am 24. Juli 2001 - noch vor dem 11. September. Insbesondere dieses Dokument ist für Steinmeiers Integrität mordsgefährlich. Der hatte nämlich noch am Wochenende laut WDR-Hörfunk gesagt, er könne sich an nichts erinnern und er wisse gar nicht, welche Zusammenarbeit die heutige Regierung eigentlich meine. Dabei hätte die SPD ahnen müssen, dass ihre vermeintliche Wahlkampfrakete zu verglühen droht. Selbst Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, musste seit Wochen zugeben, dass es nach wie vor keine Erkenntnisse über den Umfang und die Folgen der Arbeit der NSA in Deutschland gebe. Er war nicht der einzige im politischen Berlin, der nichts dringender gebrauchen konnte als am besten nichts Neues. Denn so ließ sich die Ausspähaffäre trotz aller Konjunktive und Ungewissheiten als scheinbar knallhartes Faktum halten. Selbst die vermeintliche Weitergabe von Handynummern Verdächtiger zur möglichen Liquidierung per Drohne konnten Oppermann und Genossen gestern nicht länger mit Empörung und Fragezeichen versehen in den Raum stellen. Allein der notorische Faktenverweigerer Hans-Christian Ströbele hängt noch einer Behauptung an, die die Welt seiner Vorurteile so wunderbar abrundet. Ganz sicher: Die Vorwürfe von Edward Snowden sind noch lange nicht aus der Welt. Alle Behauptungen müssen überprüft werden - zuerst in den USA, aber auch hierzulande. Jeder Bezug zu Deutschland gehört weiterhin auf den Tisch. Klar ist seit gestern aber auch, die Berliner Luft ist raus. NSA-Aktivitäten sind ungeeignet, der schwarz-gelben Regierung ans Zeug zu flicken und Rot-Grün in den Sattel zu heben.
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