Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Bundestagswahlkampf
Bielefeld (ots)
Es ist zum Verzweifeln für die Opposition: Da legt die Bundeskanzlerin innenpolitisch mal eine richtig schlechte Woche hin, und was steht an deren Ende? Nichts! »Wie gewonnen, so zerronnen«, heißt es für Rot-Grün nach den jüngsten Umfragen. Und langsam, aber sicher läuft Peer Steinbrück, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin die Zeit davon. Ja, Steinbrück war im TV-Duell und auch in der Generaldebatte des Bundestages auf Augenhöhe - mindestens. Und ja, es ist nicht nur sachlich falsch, sondern beschämend, wenn die Kanzlerin behauptet, die Sozialdemokraten seien in der Europa-Politik »unzuverlässig«. Doch was nützt es, wenn all das beim Publikum nicht verfängt und die SPD kaum vorankommt. Nimmt man den Sinkflug der Grünen in den Umfragen dazu, ist das Nullsummenspiel perfekt. Rot-Grün ist zusammen weiter klar schwächer als die CDU/CSU allein. Und zum Erreichen einer Mehrheit fehlen der Opposition derzeit mindestens sieben Prozentpunkte. »Keine Panik«, hört man schon die Spitzenleute abwiegeln. Umfragen seien keine Wahlergebnisse. Das stimmt, und nur zu gerne wird bei der Betrachtung der Prozentwerte die von den Meinungsforschern ausgewiesene Schwankungsbreite von einem bis drei Punkten unterschlagen. Die Sache bleibt also weiter sehr, sehr knapp. Doch klingt vieles aus dem rot-grünen Lager verdächtig nach Durchhalteparolen. Vor allem bei den Grünen ist der Frust groß. Von ihrem Traum, der SPD bald auf Augenhöhe begegnen zu können, ist kaum etwas geblieben. Im Gegenteil: Nun scheint es nicht mehr ausgeschlossen, dass die Partei am 22. September hinter ihr Ergebnis von 2009 zurückfällt. Wenn's ganz schlimm kommt, könnten die Grünen gar den sicher geglaubten dritten Platz im Parteienranking an die Linke verlieren. Grün ist aktuell nur noch die Hoffnung, und parteiintern laufen die Debatten bereits. Nun wird für jeden sichtbar, dass es ein zentraler strategischer Fehler war, das Thema Steuern in den Mittelpunkt des eigenen Wahlkampfes zu rücken. Die Grünen haben sich überschätzt. Dabei sind Trittin und Co. sogar von den eigenen Leuten gewarnt worden. Die Parteibasis hatte das Thema Steuern in der Abstimmung über die Bedeutung im Wahlprogramm weit nach hinten verbannt. Doch dieses Votum wurde lange ignoriert. Auch die Kritik prominenter Landes- und Kommunalpolitiker wie Winfried Kretschmann und Boris Palmer verhallte. Jetzt aber ist es zu spät: Die hastig eingeleite Kurswende wirkt aufgesetzt. Das böse Etikett »Steuererhöher« werden die Grünen in den nächsten 14 Tagen nicht mehr los. Lange haben die Grünen mit einer Mischung aus Hochmut und Verärgerung auf die Performance der SPD und ihres Kanzlerkandidaten geschaut. Nun zeigt sich, dass sie nicht nur Leidtragende, sondern selbst Verursacher der Probleme im Lager der Opposition sind. Kein Wunder also, dass Angela Merkel auch nach einer ziemlich schlechten Woche noch ganz zufrieden mit sich sein kann.
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