Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Tragödie vor Lampedusa
Bielefeld (ots)
Das Schlimmste, was nach der erneuten Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa jetzt passieren könnte, ist, dass sich Europa nur ein paar Krokodilstränen durch die krampfhaft geschlossenen Augenlider presst. Was bisher geschah, hat weder den Flüchtlingsstrom stoppen noch Einwanderung verhindern können. Es hat nur die weltweite Schleppermafia reich gemacht. Und es ist die Ursache für die Tragödien, die sich im Mittelmeer nun schon fast regelmäßig wiederholen. Papst Franziskus hat recht: Die Leichen auf dem Grund des Mittelmeers sind eine Schande für Europa. Es muss etwas geschehen - und zwar jetzt! Oder müssen erst noch mehr Schiffe mit Flüchtlingen untergehen? Bisher hat Europa vor allem darauf gesetzt, eine Mauer um sich zu errichten. Sie soll nur Waren durchlassen, und allenfalls ein paar hoch qualifizierte Menschen, die unser Arbeitsmarkt gebrauchen kann. Für Deutschland hatte die Mauer den »Vorteil«, dass man sie vom Zentrum Europas aus nicht ständig vor Augen hat. Doch die Strategie, die Folgen des Mauerbaus allein den Mittelmeer-Anrainerstaaten Italien, Malta, Zypern und Griechenland aufzubürden, ist nicht aufgegangen. Sie wurde bisher aber auch nicht revidiert. Der andere Teil der Strategie klingt besser: durch Entwicklungszusammenarbeit die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge so zu verbessern, dass es keinen wirtschaftlichen Grund mehr gibt, abzuhauen. Diese Strategie wurde aber immer nur halbherzig verfolgt. Zudem liefen ihr andere Maßnahmen der EU entgegen - so etwa die Subventionierung von Lebensmittelexporten, die afrikanischen Bauern den Lebensunterhalt nehmen, weil sie damit nicht konkurrieren können. Es ist richtig: Viele fliehen vor Armut und Ausweglosigkeit in der Heimat. Doch ist das kein Verbrechen. Die Einwanderer können sogar ein Gewinn für Länder sein, in denen die Bevölkerung immer mehr schrumpft. Erste Schritte für eine Bluecard sind gemacht. Sie muss ausgeweitet werden, um sich durchzusetzen. Schlechte Karten haben die, die fliehen, weil sie im Heimatland verfolgt werden. Ein wirkliches Asylrecht gibt es nicht mehr. Aktionen wie das Angebot an eine begrenzte Anzahl syrischer Flüchtlinge dienen nur dazu, die wahre Lage zu verschleiern. Politisch Verfolgte in Staaten, die zufällig nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, haben keine Chance. Die deutschen Botschaften unternehmen in der Regel alles, um sie abzuhalten. Einziger Ausweg ist eine Ausreise mit Hilfe der Schleppermafia und die Hoffnung auf einen einsichtigen Richter im Asylverfahren. Ein anderer Umgang mit den Betroffenen würde nicht nur die Mafia trockenlegen, sondern am Ende auch Katastrophen wie jetzt vor Lampedusa entgegenwirken. Eine Mauer hat nirgendwo Probleme gelöst. Nicht in China, wo das Reich der Mitte statt durch äußere Feinde an inneren Schwächen zerbrach. Nicht zwischen den USA und Mexiko. Und auch nicht in der DDR, die Bürger an der Ausreise hinderte, ihr Ende aber nur hinausschob.
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