Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Steuererhöhungen
Bielefeld (ots)
So schnell geht das. In wenigen Tagen ist aus einer Wahlaussage eine Wahllüge geworden. Es hat nur ein einziges Treffen gebraucht, bis die SPD umgekippt ist. Bereits nach dem ersten Beschnuppern scheint das größte Streitthema zwischen Union und Sozialdemokraten gelöst. Obwohl die SPD es in ihrem Wahlprogramm anders festgelegt hatte, wird es wohl keine Steuererhöhungen geben. Das ist zwar in der Sache richtig, aber lässt ganz tief in eine Partei blicken, die Prinzipien schnell über Bord wirft und es mit der Glaubwürdigkeit nicht so ernst nimmt. Erinnern wir uns: Am 14. April 2013 hat die SPD auf dem Bundesparteitag in Augsburg ihr Wahlprogramm unter dem Slogan »Das Wir entscheidet« einstimmig verabschiedet. »Wir haben die Kraft. Wir haben die Ideen, unser Land zu verändern«, verkündete Peer Steinbrück. Eine der Kernforderungen der SPD waren Steuererhöhungen. Noch kurz vor der ersten Sondierungsrunde hatte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig höhere Steuern als notwendig bezeichnet. Führende Politiker sagten, die SPD werde nur dann eine Große Koalition eingehen, wenn Steuererhöhungen beschlossen würden. Aber machmal kommt es eben anders, als man denkt. Nach dem Einknicken behauptet die SPD bereits, Steuererhöhungen nur deshalb gefordert zu haben, um die Mehreinnahmen für eine geringere Neuverschuldung sowie für Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu verwenden. Soweit alles richtig. Aber hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht vor der Wahl noch davon gesprochen, eine Umverteilungspolitik zu wollen? Und davon, dass Steuererhöhungen nötig seien, um die Kluft zwischen Reichen und Armen zu verringern? Waren Steuererhöhungen für die SPD nicht ein ganz wesentlicher Bestandteil eines Richtungswechsels in Deutschland? Trotz der klaren Mehrheitsverhältnisse: So darf sich die SPD nicht verbiegen! Auch die CDU will in Bildung und Infrastruktur investieren. Nur mit dem Unterschied, dass diese Ziele laut Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch ohne Steuererhöhungen erreicht werden können. Statt an der Steuerschraube zu drehen, möchte er die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu regeln. Das ist auch deshalb nötig, weil nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« der Bund im Jahr 2019 - wenn der Finanzausgleich ausläuft - im Vergleich zu 2005 um 21 Milliarden Euro entlastet werde. 2019 endet zudem auch der Solidarpakt zur Ostförderung. Somit werden Einnahmen aus höheren Steuern eben nicht gebraucht. Zudem wären sie das falsche Signal. Deutschland braucht keine höheren Steuern, sondern gerechtere und vor allem ein einfacheres Steuersystem. Und die SPD? Trotz erwartbarer Zugeständnisse, etwa beim Thema Mindestlohn, hat sie an Glaubwürdigkeit verloren. Sigmar Gabriel wird einen Ministerposten bekommen. Seiner Partei hat er durch das schnelle Einknicken beim Thema Steuererhöhungen aber großen Schaden zugefügt.
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