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Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur Energiepolitik

Bielefeld (ots)

Strom ist in Deutschland so günstig wie seit Jahren nicht - leider nur an der Börse und für Großabnehmer. Für die meisten Kunden sieht es ganz anders aus. Zusätzlich gut und gerne 70 Euro im nächsten Jahr zahlt der Durchschnittshaushalt, bei vielen Familien ist es das Doppelte und gleich tausende Euro sind es für unzählige Mittelständler. Die Bürger dürfen einmal mehr die Brieftasche zücken und den Preis einer verfehlten, von Stillstand geprägten Strompolitik zahlen. Die wird immer teurer - zumindest für die Masse. Gut stellen sich nur einige tausend mit dem Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von ausgedehnten Ausnahmeregeln erfasste Großverbraucher - und der Staat, der Kosten nicht nur umlegt, sondern bei der Gelegenheit gleich noch selbst kräftig Kasse macht. Nein, Luxusgut wird Strom für die allermeisten in der Republik auch durch die neue Preisrunde nicht werden. Doch weitere Löcher werden die immer höher ausfallenden Stromrechnungen schon in die Haushaltskassen reißen. Und mit ihnen wird der Unmut über die steigenden Kosten der Energiewende wachsen. Stopp! Hier lauert eine Gefahr, falsche Schlüsse zu ziehen. Der große Kostentreiber ist nicht die Abkehr von Atomkraft und nicht der Wandel von konventioneller Stromerzeugung aus Kohle und Gas hin zu Energie aus Sonne, Wind-, Wasserkraft sowie Biomasse. Die reine Förderung erneuerbarer Energiequellen als Namensgeber der Ökostromumlage macht nächstes Jahr 40 Prozent aus. Sie rechtfertigt auch nur einen Bruchteil des bevorstehenden Anstiegs. Den Löwenanteil dazu steuern andere Faktoren bei: Die Ausweitung der Industrieprivilegien. Und vor allem das seit 2010 geltende Vermarktungssystem für erneuerbaren Strom, dem zufolge die Umlage steigt, wenn der Strombörsenpreis sinkt. Einige Zahlen machen deutlich, dass die Politik in den verschiedensten Konstellationen entweder versagt hat - oder Abkassieren kühl berechnetes Kalkül ist. Seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 hat sich die Summe aus Steuern, Abgaben und Umlagen auf jede Kilowattstunde mehr als verdreifacht - von gut vier Cent auf nun mehr als 14 Cent. Das übersteigt inzwischen sogar die Hälfte des gesamten Privatkundenstrompreises. Die reinen Energiekosten wiederum sind mit unter vier Cent günstiger als allein die EEG-Umlage - unglaublich, aber wahr. Und auf jede Umlage, Abgabe und Stromsteuer wird noch der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Es ist Zeit zum Handeln, nicht nur wegen der ungerechten Verteilung der Belastung, sondern auch für eine glaubwürdige Energiepolitik. Wie immer sich die neue Regierung zusammensetzt: Sie muss den Wahlkampfversprechen schnell Reformen folgen lassen, die diese Bezeichnung verdienen. Andernfalls bleibt es dabei, dass Rentner und Familien, Singles genauso wie Händler und Gewerbetreibende den Preis einer verfehlten Politik zahlen und vielfach fragwürdige Privilegien Einzelner finanzieren müssen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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