Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Großen Koalition
Bielefeld (ots)
Die Kassen sind voll. Das ist das Polster, auf dem es sich die künftigen Koalitionäre bequem machen werden. Die gute Konjunktur und niedrige Zinsen haben die Steuer- und Sozialkassen überlaufen lassen. Ab 2015 soll es sogar keine neuen Schulden, sondern einen Abbau von Altschulden geben. Damit lassen sich gut Kompromisse erzielen. Die Geschenke können teuer werden: Die Diskussionen über Betreuungsgeld, Mindestlohn, Rente und Gesundheitssystem laufen. Das Betreuungsgeld wird bleiben, entweder in die Zuständigkeit der Länder transferiert oder die Länder bekommen mehr Geld für den Kita-Ausbau. Der Mindestlohn kommt flächendeckend so wie die SPD das will, wird womöglich in kritischen Branchen mit Staatsgeld abgefedert, Stichwort Kurzarbeitergeld. Am »schönsten« wird es bei der Rente. Beide Parteien wollen eine Aufbesserung der Erziehungszeiten für Kinder mit Geburtsdatum vor 1992. Das ist nur eine Frage der Definition. Man wird signalisieren, dass die Verhandlungen schwierig sind. Vielleicht erscheint NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft allein auf dem Balkon und danach Minister Ronald Pofalla für die CDU - auch allein. Das würde als Signal für Zerwürfnisse gesehen, so wie man im gemeinsamen Auftreten und Luftschnappen auf dem Balkon der Parlamentarischen Vertretung eine Zeichen der Annäherung und Versöhnung sah. Aber die Mütterrente und die Grundrente werden kommen. Wirklich schwierig wird es bei der Gesundheitspolitik. Deshalb wird eine konkrete Vereinbarung auch verschoben. Alle werden als Gewinner dastehen oder sich zumindest so darstellen. Das Finanzpolster macht es möglich. Aber wie lange? Die Euro-Krise ist noch nicht überstanden. Die Energiewende ist wie in Fass ohne Boden, marode Straßen und Brücken schreien nach Reparatur, die demographischen Defizite werden sich in reale Defizite wandeln, weil die Pflegekosten explodieren und die Gesundheitskosten rasant steigen werden. Experten warnen vor den Kostenschüben ab 2014, spätestens 2015. Dann ist Schluss mit den Wohltaten oder man holt sich das Geld von woanders. Im Klartext: In zwei Jahren wird es Steuererhöhungen geben, entweder wird die Vermögenssteuer wieder eingeführt oder der Spitzensteuersatz angehoben oder die Erbschaftssteuer erhöht oder die Pkw-Maut etabliert oder alles zusammen. Im Moment ist das mit der Union nicht zu machen. Aber in zwei Jahren denkt Angela Merkel vielleicht ganz anders. Und wenn nicht, dann wird SPD-Chef Sigmar Gabriel sie mit einem konstruktiven Misstrauensvotum vom Kanzlersessel kippen, eine rot-rot-grüne Koalition installieren und das Land unter der wehenden Fahne sozialer Gerechtigkeit an die Wand fahren. Die Große Koalition ist ein Bündnis auf Zeit, mit eingebauter Zeitbombe. Und der Zünder wird jetzt gestellt - in Spendierhosen mit noch vollen Taschen.
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