Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Drohnenkrieg der USA
Bielefeld (ots)
Malala Yousafzai steht kaum in Verdacht, Sympathien für die Taliban oder El-Kaida zu haben. Vor einem Jahr trachteten Extremisten nach dem Leben der 16-Jährigen, die sich in ihrem Dorf im Nordwesten Pakistans für die Rechte von Mädchen stark gemacht hatte. Mit viel Glück überlebte sie einen Kopfschuss. US-Präsident Barack Obama lud Malala kürzlich ins Weiße Haus ein. Genauso unerschrocken wie daheim forderte sie den mächtigsten Mann der Welt auf, Drohnenangriffe auf Ziele in ihrer Heimat einzustellen. Der Tod unschuldiger Zivilisten helfe nur den Terroristen. Damit bringt Malala das zentrale Argument gegen den geheimen Drohnenkrieg der USA auf den Punkt. Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch unterlegen es nun mit zwei brisanten Dokumentationen, die zeigen, wie wenig präzise die angeblich so chirurgischen Schläge der Joystick-Krieger sind. Amnesty berichtet vom Fall der 68-jährigen Mamana Bibi, die nahe Heimat Malalas im Norden Waziristans beim Gemüsepflücken von einer Drohne angegriffen wurde. Die Großmutter starb vor den Augen ihrer Enkel. Als ihr Verwandte zur Hilfe eilten, schlug die Drohne ein zweites Mal zu. Amnesty untersuchte 45 Angriffe in der schwer zugänglichen Bergregion Pakistans, die in den Zeitraum zwischen Januar 2012 und dem August dieses Jahres fallen. Dabei seien zivile Opfer bewusst in Kauf genommen worden. Aus Sicht der Menschenrechtler ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht und Grundlage für mögliche Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen. Human Rights Watch kommt bei seinen Recherchen in Jemen zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Berichte ist brisant, weil sich Pakistans Ministerpräsident Nawaz Sharif zu Gesprächen mit Präsident Barack Obama in Washington aufhält. Die Amerikaner rechtfertigen ihre Kampagne bisher als Teil des »globalen Kriegs gegen den Terror«, für den der amerikanische Kongress 2001 ziemlich umfassende Vollmachten erteilt hatte. Dass die USA auf diesem Weg effektiv die Führungsebene der El-Kaida ausgeschaltet haben, lässt sich nicht bestreiten. Die Frage ist nur: zu welchem Preis? Die UNO geht seit Beginn der weltweiten Drohnenkampagne von mindestens 400 getöteten Zivilisten aus. Der Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus sollte darauf hören, was ihm die kleine Malala so couragiert gesagt hat. Jenseits komplizierter Völkerrechtsfragen hat der Drohnenkrieg seinen Grenznutzen längst überschritten. Es wird Zeit, die Auseinandersetzung mit den Extremisten mit anderen Mitteln zu führen. Das gilt übrigens auch für Berlin, das in Verdacht steht, den Amerikanern bei der Zielauswahl zu helfen. Den moralischen Zeigefinger Richtung Washington auszufahren, ohne der eigenen Regierung auf die Finger zu klopfen, grenzt an Scheinheiligkeit.
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