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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Ukraine

Bielefeld (ots)

Angela Merkel macht öffentlich Druck: Nicht bei den Koalitionsverhandlungen, wohl aber auf die Führung der Ukraine. Menschenrechte, faire Rechtsprechung, weniger Korruption, mehr Verlässlichkeit und kein doppeltes Spiel mehr wechselweise mit Russland und der EU. Das verlangt die Europäische Union von einem Land, das seiner Bevölkerung schon lange die Annäherung an den Westen in Aussicht stellt, aber immer wieder verweigert.

Der EU-Gipfel zur östlichen Partnerschaft Ende November in Vilnius muss endgültig über den Abschluss eines Handelsabkommens mit Kiew entscheiden. Bis heute hat die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch wichtige Voraussetzungen nicht erfüllt: Die Bürgerfreiheiten, Demokratie und Rechtsstaat lassen zu wünschen übrig. Konkret forderte die Kanzlerin gestern erneut faire Wahlen und ein Ende der »selektiven Justiz«, die im Fall Julia Timoschenko symbolhaft deutlich werde. Will sagen: Unter Willkürjustiz leidet nicht nur die Ex-Ministerpräsidentin. Die Freilassung der einen ist noch lange kein Fortschritt für zahlreiche andere.

Zur Erinnerung: Bei den Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 erzielte Janukowitsch 49 Prozent. Timoschenko kam auf 45,5 Punkte. Der eine führt seitdem die EU mehr oder weniger mit Scheinverhandlungen an der Nase herum, die andere sitzt in Haft. Eine Überstellung nach Deutschland zur medizinischen Behandlung wäre ein eleganter Ausweg aus der diplomatisch verfahrenen Lage. Allerdings: Janukowitsch will nicht. Seine verstockte Haltung erlaubt weder das Ergreifen einer ausgestreckten Hand noch hat er die Traute, eine Brücke zu betreten, deren Tragfähigkeit andere bemessen haben.

Zur Stunde ist nicht ausgeschlossen, dass der gesamte Gipfel von Vilnius scheitert. Damit würden Hoffnungen und Perspektiven nicht nur der Bürger im zweitgrößten Flächenstaat Europas zunichte gemacht. Es geht neben der Ukraine auch um die künftige Zusammenarbeit mit Georgien, Moldau, Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan. Sie alle sind zur Partnerschaft mit der EU eingeladen.

Die EU bietet ihnen keine Vollmitgliedschaft an, verlangt aber eine klare Entscheidung entweder für den Westen oder andere - etwa die Zollunion mit Russland. Und damit geht es letztlich auch um die Außengrenzen der EU. Der Fall Türkei sowie Abkommen mit Island, Marokko, Tunesien, Israel und noch ferneren Staaten zeigen, wie weit das Beziehungsgeflecht der EU reicht. Das gefällt nicht jedem. Präsident Wladimir Putin schaut mit Argusaugen auf die sechs Länder der östlichen Partnerschaft. Er kann ihnen außer Rabatten auf Gas und Öl wenig bieten. Russlands Wirtschaft ist nur mittelprächtig. Der Rest sind Drohungen, mit denen Moskau jahrzehntelang Politik gemacht hat. Das Potenzial wirkt heute noch - auch wenn es immer diffuser wird und auf lange Sicht an Wirkung verlieren dürfte.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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