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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan

Bielefeld (ots)

Das Tischtuch zwischen Washington und Kabul ist zerschnitten. Es gibt keine diplomatische Zurückhaltung mehr. Nach der Weigerung von Präsident Hamid Karsai, der Stationierung von US-Truppen über 2014 hinaus zuzustimmen, drohen die USA jetzt unverhohlen mit Abzug. Das hätte extrem weitreichende Folgen. Am härtesten träfe es die Afghanen selbst, die sich damit vom warmen Dollarstrom abschnitten und sicherheitspolitisch auf Harakirikurs gingen - ganz abgesehen von den Folgen für die Zivilgesellschaft. Frauen und Kinder verlören massiv an Rechten, einfache Bürger fielen auf Sklavenstatus zurück. Wer das für übertrieben hält, frage im Kabuler Justizministerium nach, was dort in diesen Tagen allen Ernstes schon diskutiert wird: Auspeitschen oder Steinigung bei Ehebruch. Das von den USA verlangte Truppenstatut sieht unter anderem vor, dass ausländische Soldaten nicht vor afghanische Gerichte gestellt werden dürfen. Das ist Nato-weit selbstverständlich. Jahrelang hat sich Karsai, dessen Macht lange Zeit kaum über die Hauptstadt hinausging, von souverän agierenden US-Truppen schützen lassen. US-Sicherheitsberaterin Susan Rice hat klargestellt, dass die USA ohne prompte Unterzeichnung eines Stationierungsabkommens für die nächsten zehn Jahre »umplanen« müssten. Ohne Abkommen gibt es keine Finanzzusagen an die noch im Aufbau begriffenen afghanischen Sicherheitskräfte und auch nicht für den zivilen Wiederaufbau. Für den Fall, dass die US-Truppen das Land so schnell wie möglich verlassen, wäre auch die gesamte Nato-Truppenpräsenz beendet. Deutschland müsste zugleich seine umfangreiche Entwicklungszusammenarbeit beenden. Viele Erfolg versprechende Projekte wären für die Katz und die Sicherheit deutscher Zivilhelfer noch weniger gewährleistet als ohnehin schon. Sollten wieder die alten Kräfte, egal ob Warlords oder Steinzeit-Islamisten, die Macht am Hindukusch übernehmen, müsste Deutschland seine Zahlungen sofort einfrieren. Alles andere wäre gegenüber dem Steuerzahler nicht zu verantworten und würde letztlich Terror begünstigen. Machen wir uns nichts vor: Es gibt keine guten Taliban, auch nicht nach dem Tod von Osama Bin Laden und der weitgehenden Zerschlagung von El-Kaida als zentral geführtes Netzwerk des Terrors. Das wahrscheinlichste Szenario für ein Afghanistan ohne westliche Sicherheits- und Wirtschaftszusammenarbeit dürfte ähnlich aussehen wie das Land nach dem Abzug der Russen 1989. Damals zerfiel Afghanistan wieder in Stammesterritorien, es bildete sich eine Nordallianz und Bürgerkrieg überzog den im Prinzip unregierbaren Süden. 1994 übernahmen die damals noch Koran-Schüler genannten Taliban mit Kandahar die erste größere Stadt. Der Rücksturz ins Mittelalter war nicht mehr aufzuhalten.

Pressekontakt:

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Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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