Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Filmfest in Cannes
Bielefeld (ots)
Die gute Nachricht vorweg: Beim Filmfest in Cannes, das heute beginnt, werden 35 deutsche Filme gezeigt. Und jetzt alle wieder hinsetzen: Nicht einer davon läuft im offiziellen Wettbewerb um die »Goldene Palme« oder auch nur in den ziemlich ambitionierten, aber ebenso ziemlich unwichtigen Nebenreihen. Die 35 deutschen Filme werden abseits des Festivals gezeigt - von German Films, dem »nationalen Informations- und Beratungszentrum für den weltweiten Export deutscher Filme«. Einfach so. Bloß um mal zu zeigen, dass es auch außerhalb von Südeuropa, Westafrika (ehrlich: Mauretanien!), Nordamerika, Fernost und Russland Leute gibt, die eine Filmkamera halten können. Seit sechs Jahren haben die Juroren um Thierry Frémaux, den künstlerischen Leiter in Cannes, nichts Deutsches mehr zugelassen. Der letzte Teutone, der an der Côte d'Azur absahnte, war Wim Wenders mit »Paris, Texas«. 1984 war das, exakt zur selben Zeit, als der Asteroid niederging, der die Dinos auslöschte. Wenders hat diesmal einen seiner Filme in der Nebenreihe »Un certain regard« unterbringen können. Glückwunsch. Wenders sagte, über Cannes und seine Auswahlkriterien sei er »irritiert«. Deutsche Regisseure sind eben höflich. So höflich wie ihre Filme international untauglich sind. Aber sind sie das wirklich? Mitnichten. Die Auswahl ist beeindruckend. Bei der Berlinale 2014, wo das Wetter schlechter ist als in Cannes, das Essen angeblich auch schlechter, die Kritiker aber in jedem Fall deutlich schlechter gelaunt sind als an der Croisette, liefen vier deutsche Filme, eine Romanze mit dem Nationaldichter Schiller, eine Völkerfreundschaftsgeschichte in Afghanistan, eine ergreifende Suche zweier Kinder nach ihrer Mutter und ein gruseliges Religionsdrama. Aktuell sind im Angebot: »Phoenix«, die Kriegsvariation von Hitchcocks »Aus dem Reich der Toten«, und die hochpolitische Nachwendegeschichte »Als wir träumten« - um nur zwei zu nennen. Die jetzt für Cannes ausgewählten Filme müssen erst einmal beweisen, dass sie auch nur annähernd soviel Saft und Kraft haben. Aber nein: Für Cannes hat Fatih Akin gerade »The Cut« zurückgezogen, seinen Western (jawohl, aus Deutschland kommt ein Western!). Sie, liebe Filmfreunde, dürfen raten, wieso: Antwort A: Frémaux & Co. haben an der künstlerischen Aussage herumgemäkelt. Antwort B: Sie wollten den Film einfach so in eine Nebenreihe abschieben. Akin äußert sich dazu nicht, aber andere Gründe sind schlicht unwahrscheinlich. Der deutsche Film ist pointiert, aufregend, unterhaltsam. Okay: manchmal auch anstrengend (typische Szene: Minutenlang gleitet die Kamera über schmutziges Geschirr, im Hintergrund jammert ein Cello). Was also fehlt in Cannes? Wim Wenders sagt: »Fingerspitzengefühl.« Mein Gott, ist der Mann höflich
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