Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "Deutschlands WM-Fußballer"
Bielefeld (ots)
Es ist nur ein Spiel - aber was für eines! Am Sonntag schaut die Welt nach Rio de Janeiro. Milliarden Menschen werden das WM-Finale verfolgen. Und in Deutschland wird der kaum eine Woche alte Allzeitrekord bei den TV-Quoten wohl schon wieder überboten: Die Euphorie ist groß, die Stimmung kurz vorm Siedepunkt. Nach mehr als vier Wochen und 62 Spielen lässt sich sagen: Der Gastgeber hat seine Sache gut gemacht - viel besser als von vielen erwartet. Natürlich kann der Fußball nicht Brasiliens Probleme lösen. Natürlich ist viel Unfug passiert. Was man demnächst mit einem Stadion im Dschungel von Manaus anfängt, ist nur eine von vielen Fragen. Einmal mehr hat das Turnier in Brasilien gezeigt, dass es nur einen gibt, der immer gewinnt: die Fifa. Fünf Milliarden Euro sollen es dieses Mal sein. Joseph Blatter und Co. haben sich das Spiel längst zur Beute gemacht. Der Absurdität scheinen keine Grenzen gesetzt - Katar lässt grüßen. Doch macht es die Faszination dieses Sports aus, dass in dem Moment, wo der Ball rollt, vieles nicht mehr wichtig erscheint. In einer immer stärker globalisierten Welt ist der Fußball vielleicht das am stärksten globalisierte Produkt überhaupt. Er hat die Kraft, Brücken zu bauen - über Kulturkreise und Kontinente, über Grenzen und Generationen hinweg. Fußball ist nicht das Leben, mitunter spiegelt er aber das Leben. Das gilt auch für die Deutschen. Mit dem WM-Titel könnte nun eine ziemlich genau zehn Jahre währende Entwicklung ihren Höhepunkt finden. Das Bild der Deutschen von sich selbst ist heute ein anderes als 2004 und das Bild der Welt von den Deutschen ist es wohl auch. Was Jürgen Klinsmann gegen große Widerstände begonnen hat, will Joachim Löw mit seiner Elf vollenden. Ein Teil derer, die 2006 das Sommermärchen ausgelöst haben und erstmals ein neues, unbefangen selbstbewusstes Deutschland repräsentierten, sind heute Leistungsträger. Das Team verbindet außergewöhnliches Talent und Spielfreude mit einem Arbeitsethos, das sich allein fürs Schöne nicht mehr hergibt. Fußballerisch und menschlich gereift sind diese Spieler grandiose Botschafter ihrer Nation. Im doppelten Sinne hat sich Per Mertesacker als Prototyp dieser Haltung erwiesen. Sein Verbalangriff nach dem Algerien-Spiel verriet ja vor allem eines: dass er und seine Kollegen mit sich selbst unzufrieden waren. Und neulich hat der 29-Jährige gesagt, er könne auch ohne WM-Titel ein glücklicher Mensch sein. Das ist erfrischend, weil es dem Überspannten des WM-Wahnsinns auf urdeutsche, nüchterne und immer auch selbstkritische Weise den Spiegel vorhält. Natürlich will die deutsche Mannschaft jetzt den Titel holen und sie hat das Zeug dazu. Aber sie weiß eben auch, was es bedeutet, zu verlieren. Wie die Spieler im Moment des eigenen Erfolges die unterlegenen Brasilianer getröstet haben, war beeindruckend. In aller Welt haben diese Szenen gewiss so viel Respekt und Sympathien entfacht wie die sieben Tore zuvor. Kein Zweifel: Diese deutschen Spieler haben den Triumph verdient. Drücken wir die Daumen!
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