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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Fußballweltmeister Deutschland

Bielefeld (ots)

Nun lässt sich der Mauerfall vor 25 Jahren in seiner Bedeutung niemals bis auf ein Ballspiel hinunterreduzieren. Aber schon Platz zwei in der Allzeit-Jubelsturm-Hitliste fällt an den Fußball. Wenn es hupt und trötet, die Menschen in den Straßen zusammenströmen, unbekannt ineinanderfallen, beim Singen die Tonlage nicht treffen, Fahnen schwenken oder stundenlang im Kreis fahren, dann ist die Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich groß, es könne mit einer Weltmeisterschaft zu tun haben. Deutschland feiert - seine Mannschaft und sich. Das Happyend des Sommermärchens - wir erinnern uns: Superwetter, Superstimmung, Superspiele, leider nur Platz drei - wird nun mit achtjähriger Verspätung nachgereicht. Fußball an die Macht. Einen solchen Selbstgänger stoppt man nicht, der sucht sich seinen Weg und es würde nicht wundern, wenn die Fernsehsender zum Hype in der Hauptstadt heute Hubschrauber oder Fallschirmspringer aussenden, um die Szenerie am Brandenburger Tor und womöglich auch schon die Anfahrt des Mannschaftsbusses von oben einzusehen. Ein Welttitel im Fußball ist mit normalen Maßstäben nicht mehr zu messen. Jedenfalls nicht, wenn er 24 Jahre auf sich warten lässt. Frohsinn zuerst. Eine sportliche Bewertung scheint unter diesen Umständen gerade nicht besonders wichtig zu sein. Man kann das also auf später verschieben oder einfach nur feststellen, wie es wohl weitergehen könnte: Mit Joachim Löw wahrscheinlich, dem rehabilitierten Bundestrainer. Rehabilitiert deswegen, weil sich der Zorn über das vergeigte EM-Halbfinale gegen Italien vor zwei Jahren über ihm entlud. Da verzockte er sich. In Brasilien versuchte der Freiburger gar nicht, die Taktik zu seinem persönlichen Experimentierfeld zu machen. Löw vermied zu gewagte Laboranordnungen und nahm auch seinen Kapitän Philipp Lahm wieder rechts in der Viererkette auf, als dies die vernünftigste Lösung erschien. Dass die Deutschen gut genug sortiert sind, um auch künftig Autokorsos auszulösen, kann und darf in diesem bedeutetenden Fußball-Schland eigentlich nie anders sein. Mit dem Titelgewinn im Rekordweltmeisterland entlud sich über lange Zeit angestauter Dampf. Ein Reifeprozess? Ja, so wird das genannt. Ist schon auch richtig so. Aber wenn nicht Mario Götze das Tor trifft, sondern Lionel Messi, hält die Tristesse der Titellosen an. Gegen Algerien im Achtelfinale war der Reifeprozess auch kurzfristig noch einmal unterbrochen. All das juckt nicht mehr, wenn am Ende das Finale 1:0 gewonnen wird - ein Triumph des Teams und der Arbeit. Es ist nur korrekt, dass Plackerei und Platzwunden irgendwann belohnt werden müssen, dass es etwas bringt, sich abzunutzen und aufzureiben wie Bastian Schweinsteiger. Erst Blut, dann Tränen. Das ist echt. Heldenhaft, kein Hype. Sport in pur, nicht für die Party.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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