Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg
Bielefeld (ots)
Wenn die AfD in Erfurt und Potsdam auf Anhieb jeweils zweistellig ins Parlament einzieht, wenn die CDU in Thüringen groß gewinnt und dennoch bis zuletzt zittern muss, wenn Bodo Ramelow vermutlich hauchdünn am Ministerposten scheitert, und wenn die FDP künftig in keinem Ost-Parlament mehr sitzt und nur noch in sechs von 16 Landtagen vertreten ist, dann muss es ein kleiner, aber besonderer Wahlabend gewesen sein. Die Alternative für Deutschland ist der große Gewinner beider Landtagswahlen. Spätestens seit gestern scheint festzustehen, dass die AfD sich in Deutschland etabliert hat. Nach der Wahl in Sachsen folgen die Triumphe Nummer zwei und drei und - in diesem Zusammenhang - gleichzeitig die Ohrfeigen Nummer zwei und drei für die von Angela Merkel angeführte CDU. Man glaubt es kaum, aber in Thüringen ist die Protestpartei sogar fast so stark wie die dort katastrophal geschrumpfte SPD. Apropos Wahlverlierer: Bodo Ramelow hat es 2009 nicht auf den Ministersessel geschafft und wird es aller Voraussicht nach auch dieses Mal nicht schaffen, als erster Linker Ministerpräsident zu werden und somit Geschichte zu schreiben. An Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht führt trotz der Stärke der AfD und der aktuellen Pattsituation eigentlich kein Weg vorbei. Sie hat die Hochburg verteidigt und sogar noch Stimmen hinzugewonnen. Ihre Position ist nochmals gestärkt, erst recht, weil ihr Partner in der Großen Koalition so untergegangen ist. Allerdings hätte ihre Groko nur 45 Sitze - genauso viel wie Rot-Rot-Grün. Es spricht trotzdem einiges für eine Fortsetzung der jetzigen Regierung und gegen das Wackelbündnis aus SPD, Linken und Grünen. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, wie nach den Landtagswahlen die jeweils vier Stimmen im Bundesrat verteilt werden. Da auch die Regierungsbildung in Sachsen noch nicht abgeschlossen ist, gibt es einige Möglichkeiten von Gewichtsverschiebungen in der Länderkammer. Wird die schwarz-rote Koalition in Thüringen fortgesetzt, blieben die Kräftsverhältnisse im Bundesrat etwa gleich. Bislang kommt die Große Koalition dort nur auf eine Minderheit von 27 der 69 Stimmen. In Brandenburg sind nach dieser Wahl keine Veränderungen zu erwarten. Insbesondere nach der Abstimmung in Thüringen zeigt sich immer mehr, dass die CDU keinen festen Koalitionspartner mehr hat. Da die FDP zunehmend keine Rolle mehr spielt und mit der AfD aufgrund ihrer Haltung zum Euro keine Koalition möglich ist, bleiben langfristig nur die Grünen oder die SPD. Und die AfD? Spätestens nach diesen Wahlen muss sich die CDU ernsthaft mit den Eurogegnern beschäftigen. Die Alternative für Deutschland hat gestern den Osten erobert und den Westen bereits im Blick - die Landtagswahlen in Hamburg und Bremen im kommenden Jahr.
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