Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Friedensnobelpreis
Bielefeld (ots)
Kinder, die die Schule nicht besuchen dürfen, haben keine Chance, sich als Erwachsene aus ihrer ererbten Armut zu befreien. Sie haben ebenfalls keine Chance, sich aus der Unterdrückung zu lösen - sei sie nun politisch, religiös-fundamentalistisch oder ökonomisch. Denn Kinder, die die Schule nicht besuchen, kennen ihre Rechte nicht. Mädchen, die die Schule nicht besuchen, haben zusätzlich keine Chance, sich aus der Abhängigkeit von ihren Vätern und Ehemännern zu lösen. »Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern«, sagte Malala Yousafzai vor den Vereinten Nationen. Das Programm hat auch das Nobelpreiskomitee überzeugt. Gemeinsam mit dem indischen Kinderrechtsaktivisten Kailash Satarthi erhält die 17-jährige Pakistanerin den Friedensnobelpreis: im Gegensatz zu einigen früheren eine exzellente und zukunftsweisende Entscheidung. Schließlich hat Malala ihren Einsatz fast mit dem Leben bezahlt. Der Anschlag der Taliban auf die damalige Schülerin galt allen, die in Pakistan für Freiheit, religiöse Selbstbestimmung und die Gleichheit der Geschlechter eintreten. Für sie ist der Nobelpreis eine große Ermutigung. Natürlich lässt die Kritik der anderen Seite nicht lange auf sich warten. Die Vergabe sei ein politischer Akt, Malala ein willfähriges Werkzeug in der Hand des Westens, der nichts weiter wolle, als den Islam auszugrenzen. In der Tat ist die Vergabe in diesem Jahr ein politischer Akt - politisch, weil für die Freiheit und gegen Terrorismus, für Bildung und gegen Unterdrückung, für Zukunft und gegen die Rückkehr ins Mittelalter. Malala begann ihre Rede in New York ganz bewusst mit dem Gruß »Bismillah irahman irahim« (Ich beginne im Namen Allahs, des Allbarmherzigen). Die Mehrheit der Muslime will Malalas Weg gehen - nicht den von Islamischem Staat, Taliban, Al Khaida und wie die Verbrecher sonst noch heißen gehindert. Sicher bedarf es auch einigen Mutes, eine erst 17-jährige auszuzeichnen. Doch der Preis ist eine Chance für Pakistan. Er zeigt, es gibt einen Weg aus der Dunkelheit, in die sich das Land teils selbst, teils unter ausländischem Einfluss manövriert hat. Es ist ein weiter Weg. Aber der Tag wird kommen, an dem Malala in ihre Heimat zurückkehren kann. Der Preis ist auch eine Chance für Indien. Die politische Kaste verbreitet dort gern das Bild eines fortschrittlichen Landes, das sich wie ein Leuchtturm von Pakistan abhebt. Dieses Bild hat durch die Berichte über Vergewaltigungen schon Flecke bekommen. Der Preis für Kailash zeigt zudem: Auch in sozialer Hinsicht hat Indien wie ganz Südasien noch große Aufgaben vor sich. Dazu zählt auch Abschaffung der Kinderarbeit. Dass das Nobelpreiskomitee 2014 Menschenrechtsverteidiger aus beiden Staaten auszeichnet, ist eine wunderbare Botschaft: Indien und Pakistan sollen aufhören, sich mit Krieg zu bedrohen und sich stattdessen um die wirklich wichtigen großen Probleme im eigenen Land kümmern.
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