Westfalen-Blatt: zu Satire
Bielefeld (ots)
Satire tötet nicht, aber Satiriker werden getötet. Wie jetzt in Paris. Wenige kurze Striche oder einige bissige Sätze verdichten ein Thema zu einem prägnanten Bild oder nachdenklich machenden Text. Sie prangern Allmachtsansprüche von Ideologien und Religionen sowie die Eitelkeiten und kriminellen Energien von Herrschern und Politikern an. Ja, sie ärgern und verletzen diejenigen, die nur eine Meinung gelten lassen, die verblendet sind, aber sie bringen diese Menschen nicht um. Umgekehrt haben die, die zur Zielscheibe wurden, nicht das Recht, als Hinrichtungskommandos in Redaktionsräume einzudringen. Wie sollten Journalisten, Zeichner und Kabarettisten auf das Drama in der französischen Hauptstadt reagieren? Sich einschüchtern zu lassen und künftig auf Karikaturen zu verzichten, wäre genau das, was die Attentäter im Sinn hatten. Sie wollen Angst verbreiten, kritische Geister mundtot machen. Zeitungs- und Zeitschriftenverleger und die Redakteure, die für sie arbeiten, haben die Aufgabe, in Wort und Bild zu einer freien Gesellschaft beizutragen, in der es keine Denkverbote geben darf. Meinungsfreiheit ist die Ader, durch die das Blut der Demokratie fließt. Satiren sind kein Freifahrtschein für Beleidigungen, aber wichtig, um eben auch auf den Missbrauch von Religion aufmerksam zu machen. Nicht nur der Islam, auch Christen- und Judentum haben ein Problem damit, dass sie karikiert werden, aber für alle gilt: In einer pluralistischen Gesellschaft, in der es keine ewigen Wahrheiten gibt, müssen sie das aushalten! Natürlich fällt es leichter, den Papst aufs Korn zu nehmen, weil heute niemand mehr die Inquisition fürchten muss. Anders beim Islam, für den selbsternannte »Gotteskrieger« ausschwärmen, die doch nur Mörder sind. Die meisten seiner Kollegen würden kneifen, bedauert Kabarettist Dieter Nuhr, der mutig religiöse Fanatiker kritisiert. Karikaturen sind weit mehr als Zeichnungen: Sie zeugen vom Mut derer, die sie angefertigt haben. In der NS-Zeit waren Hitler-Witze lebensgefährlich. Satire tötet nicht, sondern hält Unverzichtbares am Leben - die Demokratie.
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