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Westfalen-Blatt: zu Claudia Pechstein

Bielefeld (ots)

Die Freude bei Claudia Pechstein ist verständlicherweise groß. Nach sechs Jahren endlich der erste Sieg vor einem Gericht. Auch Robert Harting freut sich: Für den Diskus-Olympiasieger ist die Zulassung der Klage gegen den Eisschnelllauf-Weltverband wegen einer Dopingsperre gegen Pechstein »ein Meilenstein für alle Sportler«, denn »im Sport gilt nie die Unschuldsvermutung. Wird ein Sportler verdächtigt, wird er sofort fallen gelassen. Das hat drastische wirtschaftliche Konsequenzen und häufig sogar den Existenzverlust zur Folge.« Übersehen hat der Berliner in seinem Überschwang eines: Hat dieses Urteil auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand, muss sich Robert Harting demnächst nicht nur mit vermuteten, sondern sogar häufiger mit überführten Dopern im Ring messen. Zumindest national. Das Urteil des Oberlandsgerichtes München beerdigt nämlich die Schiedsvereinbarung zwischen deutschen Athleten und ihren jeweiligen nationalen Verbänden. Werden Dopingsperren dann nur noch vor ordentlichen Gerichten verhandelt, dürfen überführte Doper bis zum letztinstanzlichen Urteil an Wettkämpfen teilnehmen. Alles andere würde einem Berufsverbot gleichkommen und hätte deshalb vor keinem Gericht Bestand. Doch damit nicht genug. Was ist zum Beispiel mit den Normen, die von den nationalen Verbänden für Starts bei internationalen Wettkämpfen festgelegt werden? Der deutsche Leichtathletikverband etwa verlangt mehr Leistung als der internationale. Da wird sicher geklagt. Und: Wie reagieren internationale Organisationen, wenn deutsche Gedopte international starten wollen? Das Oberlandesgericht kritisiert vor allem die Zusammensetzung der Internationalen Sportgerichtshofes: zu verbandslastig. Und die Dauer bis zu einem Urteil: viel zu lang. Dass das Athleten, die sich wieder ihrem Job widmen wollen, so empfinden, ist nachvollziehbar. Aber: In den Fällen, in denen es um Doping geht, wird meist nur die Länge der Sperre verhandelt. Die dann übrigens meist verkürzt wird. Herr Harting hat das mal nicht ganz so gut gefunden. Klar ist auch: Das Anti-Doping-Gesetz der Großen Koalition kann eingemottet werden, bevor es aus dem Entwurfsstatus herauskommt. Denn Paragraf 11 besagt, dass sich Sportler weiterhin der Sportgerichtsbarkeit zu unterwerfen haben. Und wenn man seinen Blick mal in die Zukunft schweifen lässt: Mit diesem Urteil sind Sportler anderen Arbeitnehmern gleichgestellt worden. Und es wird sicher der Tag kommen, wo ein gedopter Sportler gegen seine Sperre vor einem ordentlichen Gericht klagen wird. Denn warum sollte seine medikamentöse Vorteilsverschaffung etwas anderes sein als bei einem Maurer, Lehrer oder Journalisten? Auch in anderen Berufen verschaffen sich Menschen chemisch Vorteile. Für Claudia Pechstein war gestern ein Glückstag, für den Sport ist das Urteil ein GAU.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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