Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Achenbach und Co.
Bielefeld (ots)
Im Jahr 2009 wurde bei Christie's in London die »Paris Bar«, ein Gemälde des angesagten Künstlers Martin Kippenberger, versteigert - 2,5 Millionen Pfund. Die »Paris Bar« stammt aber von dem Plakatmaler Götz Valien, der sie im Auftrag Kippenbergers hinpinselte und dafür - das ist die Pointe - nur 1000 D-Mark kassierte. Aber was heißt hier »hinpinseln«? Wer legt denn fest, wieviel ein Bild kosten darf? Und wofür brauchen reiche Sammler einen Kunstberater? Wieso konnte Helge Achenbach, dessen Prozess wegen Betrugs Schlagzeilen macht, jahrelang von Klienten jede Summe fordern, bevor er aufflog? Über den Wert der Kunst wird philosophiert, seit es sie gibt. Ohne dass je belastbare Standards entwickelt worden wären. »Die Kunst« im Singular gibt es ohnehin erst seit dem 18. Jahrhundert, vorher bewunderte man »die Künste« (Plural) und meinte damit Könner und ihre zumeist technischen Fertigkeiten. Die sind bei einem Maler wie Valien vorzeigbar, bringen ihm aber bloß vierstellige Summen - von 2,5 Millionen Pfund kann der Tiroler nur träumen. Bei prominenten Künstlern rechnet der Markt allen Ernstes nach der Formel Materialwert mal Bildgröße mal Alter mal X. Dieses X wird gerne als Symbolwert bezeichnet. Marktexperten wie die Berliner Professorin für Kunsttheorie Isabelle Graw sind überzeugt, dass nur eine Handvoll Galerien, Museen und Kunstkritiker Symbolwerte hochjazzt: »Manipulation und Spekulation sind an der Tagesordnung.« Erst dann betritt der reiche Sammler die Szene - wie der Spieler das Kasino. Mit dem Erwerb von Kunst wettet er auf ihren Bedeutungs- und Wertzuwachs. Hohe Beraterprovisionen, auch wenn sie, wie man Achenbach vorwirft, gefakt sind, zeugen von dieser Bedeutung. Bei diesem Thema stochern Kunstberater wie Künstler im Nebel. Achenbach erzählt, er habe in den 90ern einen Gerhard Richter für 180 000 Dollar in die USA verkauft. Kurz darauf war das Bild 15 Millionen wert. »Da wurde klar, dass mein Preis viel zu niedrig gewesen war.« So erwacht die Gier. Und der »Malerfürst« Markus Lüpertz haut in dieselbe Kerbe, wenn er gesteht, ein Bild für zehn Millionen könne niemand mehr beurteilen: »Sie können dann doch nicht mehr sagen: Das ist schlecht!« Was teuer ist, ist gut. »Kunst = Kapital« hat Joseph Beuys mal auf einen Zehnmarkschein geschrieben - und damit ein Kunstwerk geschaffen (hätte er »Kunst = Kommerz« geschrieben, die Szene hätte aufgeheult). Tatsächlich horten die großen Sammler heute alle dasselbe: Kiefer. Richter. Koons. Pollock und ein bisschen Hirst. Warhol. Twombly. Rauch. Gerne auch, wie es Achenbachs Kunde Berthold Albrecht tat, alte Autos. Der New Yorker Kunsthandelsexperte Benjamin Mandel sagt, dass Leute, die Kunst nicht von Statussymbolen unterscheiden können, deswegen über Geld reden. Zur Not eben vor Gericht.
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